Dokument: Der Künstler als Historiker?
Titel: | Der Künstler als Historiker? | |||||||
Weitere Titel: | Walter Paters Kunst- und Geschichtstheorie im Werk von Edward Burne-Jones und Alfred Gilbert The Artist as Historian? Walter Pater’s Aesthetic Theory in the Work of Edward Burne-Jones and Alfred Gilbert | |||||||
URL für Lesezeichen: | https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=8429 | |||||||
URN (NBN): | urn:nbn:de:hbz:061-20080926-081112-0 | |||||||
Kollektion: | Dissertationen | |||||||
Sprache: | Deutsch | |||||||
Dokumententyp: | Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation | |||||||
Medientyp: | Text | |||||||
Autor: | Gerritzen, Anja [Autor] | |||||||
Dateien: |
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Beitragende: | Prof. Dr. Körner, Hans [Gutachter] Prof. Dr. Hülsen-Esch, Andrea von [Gutachter] | |||||||
Dewey Dezimal-Klassifikation: | 900 Geschichte und Geografie » 990 Geschichte anderer Gebiete | |||||||
Beschreibung: | Während im 19. Jahrhundert in Deutschland die umfassenden Geschichts- und Kunstwissenschaften entstehen und durch enzyklopädischen Sammlungseifer die ersten Museumsgründungen und kunsthistorischen Übersichtswerke zustande kommen, begibt sich in England Walter Pater auf die gedankliche Reise durch die Zeit: Nicht historische Fakten standen bei dieser Suche im Interessensfokus, sondern die solipsistische Selbstprojektion in die Geschichte. Auf der Suche nach der Vergangenheit fand Walter Pater stets sich selbst und die für die eigene Zeit relevanten Problemstellungen. Geschichte wurde für ihn zu einem individuellem Zeichensystem; Geschichtsschreibung zu einem tautologischen Problem der Selbstbetrachtung, denn suchte der ‚Historiker’ die Vergangenheit, fand er doch nur sich selbst.
Auch Künstler verfuhren so. Gerade die Präraffaeliten, die sich in der Ablehung der akademischen Tradition unverbrauchten Vorbildern der Frührenaissance zuwandten, bedienten sich im Bildarchiv der Geschichte, um neue Ansätze zu suchen und die eigene Zeit in der Vergangenheit zu finden, anstatt immer gleichen Vorbildern wie Tizian oder Raffael zu folgen. Edward Burne-Jones, einer der Hauptvertreter des malerischen Ästhetizismus und Nachfolger der Präraffeliten, bediente sich dieser epochenrekonstruierenden und -konstituierenden Vorgehensweise, um die aufbrechenden Männlichkeitentwürfe des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu markieren. Die für die Präraffaeliten charakteristische Auseinandersetzung mit der Ikone des 19. Jahrhunderts, Sandro Botticelli, evozierte in Burne-Jones’ Werk formal nicht nur eine ausgesuchte Linearität, sondern ikonographisch eine von Botticellis traurigen Madonnen beeinflußte und von homosexuellen Kreisen favorisierte Androgynie der Figurengestaltung. Parallel dazu verlief Burne-Jones’ intensives Studium Michelangelos: Nicht nur dessen kraftvolle Männerakte hinterließen Spuren im Werk des Ästhetizisten und formulierten den geschlechtsspezifischen, ultra-virilen Gegenentwurf zu den androgynen Figurenerfindungen, die Auseinandersetzung mit dem Renaissancekünstler führten zu ausgesprochen plastischen Werten in Burne-Jones’ Malerei, die geradezu in Negation der botticelliesken, flammenden Linie stehen und außerdem zu eigenen bildhauerischen Arbeiten führten. Was Edward Burne-Jones für die Malerei war, war Alfred Gilbert für den plastischen Ästhetizismus: Gilbert führte Edward Burne-Jones’ epochenrekonstruierende Produktionsästhetik fort, selektierte Epochen und Stile nach soziokulturellen und politischen Gesichtspunkten und vollzog so eine dreidimensionale Ausformulierung von Walter Paters Kunst- und Geschichtstheorie sowie der durch Oscar Wilde vollzogenen Umkehrung des traditionellen Mimesisbegriffs. Im gleichen Zug entfaltete sich im Gilbertschen Werk ein double-voiced discourse: Die Umsetzung der Paterianischen Kunst- und Geschichtstheorie funktionierte in den elitären Kreise der Londoner Avantgarde um Oscar Wilde, nicht aber in der breiteren, viktorianischen Gesellschaft. Während dieser elitäre Zirkel der kunstkritischen Dandies gerne den von Pater vorangetriebenen Körpercode der Antike und Renaissance benutzte, um in einer Zeit, die nicht einmal ein Wort für Homosexualität besaß, die eigenen Vorlieben und Gefühle über Kunst zu definieren und so eine Sprache zu finden, mußte derselbe Code, den Gilbert bewußt wertsteigernd für seine bildhauerischen Werke verwendete, in der viktorianischen Öffentlichkeit scheitern. | |||||||
Lizenz: | Urheberrechtsschutz | |||||||
Fachbereich / Einrichtung: | Philosophische Fakultät » Seminar für Kunstgeschichte | |||||||
Dokument erstellt am: | 26.09.2008 | |||||||
Dateien geändert am: | 12.08.2008 | |||||||
Promotionsantrag am: | 08.03.2007 | |||||||
Datum der Promotion: | 30.10.2007 |