Dokument: Ökologische und ökophysiologische Charakteristika aquatischer Neophyten in Nordrhein-Westfalen

Titel:Ökologische und ökophysiologische Charakteristika aquatischer Neophyten in Nordrhein-Westfalen
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20080711-082201-9
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Hussner, Andreas [Autor]
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Dateien vom 10.07.2008 / geändert 10.07.2008
Beitragende:Prof. Dr. Lösch, Rainer [Gutachter]
Prof. Dr. Jahns, Peter [Gutachter]
Stichwörter:Neophyten, submerse Makrophyten, Invasion
Dewey Dezimal-Klassifikation:500 Naturwissenschaften und Mathematik » 570 Biowissenschaften; Biologie
Beschreibungen:Biologische Invasionen werden weltweit als ein wesentlicher Bestandteil des „Global Change“ betrachtet. Sie werden neben der Veränderung in der Landnutzung, der zunehmenden Eutrophierung und der globalen Erwärmung als eine der größten Gefahren für die biologische Vielfalt angesehen. Dabei spielen auch aquatische Neophyten eine immer größer werdende Rolle. So führen Dominanzbestände von neophytischen Wasserpflanzenarten Probleme für die menschliche Nutzung der betroffenen Gewässer herbei und beeinträchtigen die α –Biodiversität naturnaher Gewässer.

Von den bisher nachgewiesenen 23 aquatischen Neophyten in Deutschland kommen 19 in Nordrhein-Westfalen vor (Erstfunde für 3 Taxa im Rahmen der vorliegenden Arbeit). In dieser Studie werden fünf Arten vorgestellt, die sowohl national als auch international immer wieder als aquatische „Problemarten“ betrachtet werden. Neben den bereits aus deutschen Gewässern bekannten aquatischen Neophyten Crassula helmsii (Kirk) Cockayne, Hydrocotyle ranunculoides L.fil, Myriophyllum aquaticum (Velloso) Verdcourt und Myriophyllum heterophyllum Michaux wurde auch Ludwigia grandiflora (Michx.) Greuter & Burdet eingehender untersucht, da für diese Art in Zukunft mit einer Einfuhr nach Deutschland gerechnet werden muss.

Kartierungen an der Erft, dem neophytenreichsten Fließgewässer Deutschlands, erbrachten Kenntnisse zu den langfristigen Auswirkungen expandierender neophytischer Wasserpflanzen auf die Vegetationszusammensetzung der Gewässer. Die Kartierungsergebnisse zeigen eine große Dynamik in der Zusammensetzung der Vegetation und in den Häufigkeiten der einzelnen Arten im Gewässer, wobei trotz einer anhaltenden Zunahme der Bestände neophytischer Arten keine vollständige Verdrängung einheimischer Arten beobachtet werden konnte. Die meisten Neophyten zeigten dabei, genauso wie die meisten einheimischen Arten, interannuelle Schwankungen in ihren Häufigkeiten. Lediglich bei der immergrünen Vallisneria spiralis konnte eine deutliche Ausbreitung im Gewässer nachgewiesen werden. Der in der Erft 2005 erstmals für Deutschland nachgewiesene Indische Wasserfreund, Hygrophila polysperma, zeigte zwar seit der Einführung eine anhaltende Ausbreitung im Gewässer, über die weitere Entwicklung der Bestände dieser Art kann jedoch keine genaue Vorhersage gemacht werden.

Crassula helmsii, Hydrocotyle ranunculoides, Myriophyllum aquaticum und Myriophyllum heterophyllum produzieren in den einheimischen Gewässern z.T. enorme Bestandsdichten. Alle Arten zeigen einen guten Wuchs und bewiesen, ebenso wie die noch nicht in Deutschland nachgewiesene Art Ludwigia grandiflora, eine gewisse Winterhärte.

In kontrollierten Kulturversuchen wurden die Auswirkungen einer Zunahme an pflanzenverfügbaren Nährstoffen und der Wasserverfügbarkeit im Boden auf das Wachstum der Arten untersucht sowie Experimente zur Regenerationsfähigkeit der einzelnen Sippen durchgeführt. Alle Taxa demonstrierten eindrucksvoll ihre hohen Regenerationsfähigkeiten. Während in allen Fällen Regeneration aus Stängelabschnitten mit beblätterten und unbeblätterten Nodien möglich war, bildeten Myriophyllum aquaticum und Ludwigia grandiflora selbst aus einzelnen emersen Blättern neue Triebe aus.

Die emersen Pflanzen von Crassula helmsii, Hydrocotyle ranunculoides, Ludwigia grandiflora und Myriophyllum aquaticum zeigten eine signifikante Zunahme der relativen Wachstumsraten (RGR) bei einer Zunahme der pflanzenverfügbaren Nährstoffe im Boden. Die höchsten relativen Wachstumsraten besaß dabei der Große Wassernabel (Hydrocotyle ranunculoides) mit 0,132 ± 0,008 g g-1 TG d-1. Hydrocotyle ranunculoides, Ludwigia grandiflora und Myriophyllum aquaticum bewiesen des Weiteren eindrucksvoll ihre Fähigkeit, auch unter dem Einfluss unterschiedlicher Wasserstände große Bestände aufbauen zu können. Dabei waren die Formen der phänotypischen Anpassungen an die unterschiedlichen Hydroregime artspezifisch sehr unterschiedlich.

Konventionelle Gaswechselmessungen an emersen Pflanzentrieben zeigten unterschiedliche physiologische Optima der untersuchten Arten. Erstmalig konnten darüber hinaus mit einer neu konstruierten Apparatur mit einer Durchflusskammer photooptische Gaswechsel-messungen an submersen Pflanzen durchgeführt werden. Anders als bisher üblich können mit dieser Apparatur alle die Photosynthese submerser Pflanzen beeinflussenden Parameter (vor allem Wassertemperatur, pH-Wert des Wassers und der CO2-Gehalt des Wassers) konstant gehalten werden. So wurde der Einfluss der Parameter Temperatur und Lichtverfügbarkeit auf die submersen Gaswechselraten im Zeitverlauf in hoher Messwerte-Auflösung verfolgt.

Die emersen Blätter des Großen Wassernabels erreichten mit rund 3500 µmol CO2 g-1 TG Blatt h-1 bei einem Temperaturoptimum zwischen 25 und 35 °C und einem Lichtsättigungswert bei ~ 800 µmol Photonen m-2 s-1 die höchsten Gaswechselraten aller untersuchten Taxa. Die von Ludwigia grandiflora erreichten Werte ( ~ 2200 µmol CO2 g-1 TG Blatt h-1 bei einem Lichtsättigungswert von ~ 700 µmol Photonen m-2 s-1 und einem Temperaturoptimum von 25 - 35°C), ebenso wie die von Crassula helmsii ( ~ 200 µmol CO2 g-1 TG Spross h-1 bei einem Lichtsättigungswert von ~ 300 µmol Photonen m-2 s-1 und einem Temperaturoptimum von 23 - 30°C) und Myriophyllum aquaticum ( ~ 400 µmol CO2 g-1 TG Spross h-1 bei einem Lichtsättigungswert von ~ 900 µmol Photonen m-2 s-1 und einem Temperaturoptimum von 27 - 37°C) lagen deutlich unter denen, die von Hydrocotyle ranunculoides erreicht wurden.

Die submersen Triebe von Crassula helmsii (Gaswechsel: 507 ± 13 µmol O2 g-1 TG h-1), Myriophyllum aquaticum (740 ± 140 µmol O2 g-1 TG h-1) und Myriophyllum heterophyllum (1372 ± 75 µmol O2 g-1 TG h-1) erreichten bei der höchsten gemessenen Temperatur von 25 °C die höchsten photosynthetischen Umsatzraten. Die Temperatur hatte dabei einen entscheidenden Einfluss sowohl auf die Lage der Lichtkompensationspunkte als auch auf die der Lichtsättigungsbereiche der Arten. Bemerkenswert ist der Vergleich der Gaswechselwerte emerser und submerser Blätter der verschiedenen Arten beim Chlorophyllgehalt als Bezugsbasis: Bei Myriophyllum aquaticum erreichten die submersen Sprosse mit rund 154 µmol O2 mg-1 Chlabs h-1 rund 55 % höhere Gaswechselraten als die emersen Sprosse, welche maximale Gaswechselraten von 100 µmol CO2 mg-1 Chlabs h-1 aufwiesen. Crassula helmsii hingegen erzielte mit den emersen Sprossen mit rund 91 µmol CO2 mg-1 Chlabs h-1 mehr als doppelt so hohe Gaswechselraten als mit den submersen Sprossen (rund 37 µmol O2 mg-1 Chlabs h-1). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Myriophyllum aquaticum eine Wasserpflanzenart ist, die nur sekundär Bereiche oberhalb der Wasseroberfläche besiedelt, während Crassula helmsii, genau entgegengesetzt zu Myriophyllum aquaticum, primär eine emerse Pflanzenart ist, die nur sekundär submerse Formen ausbildet.

Alle untersuchten aquatischen Neophytenarten bewiesen ihre Fähigkeit, unter den hiesigen klimatischen Bedingungen zu überdauern und große Bestände ausbilden zu können. Für alle Arten ist somit eine weitere Ausbreitung in Mitteleuropa zu erwarten. Aufgrund ihrer physiologischen Charakteristika ist zumindest für Hydrocotyle ranunculoides, Ludwigia grandiflora und Myriophyllum aquaticum zu vermuten, dass sie im Zuge der prognostizierten Klimaveränderungen zunehmend bessere Wachstumsbedingungen in Deutschland vorfinden werden. Im Zuge ihrer Ausbreitung kann es dann zu ähnlichen Konflikten bei der menschlichen Nutzung der Gewässer sowie der Erhaltung der heimischen Wasserpflanzenvegetation kommen, wie dies bereits aus anderen europäischen Ländern beschrieben wurde.

Biological invasions are a widespread and significant component of human-caused “global change”. They are one of the major threats of loss of biodiversity. Non-indigenous aquatic plant species play an increasing role in invasion biology. They cause serious problems for human use of water bodies and biodiversity and some species became nuisance. In Germany, a total of 23 non-indigenous are reported, 19 occurring in North Rhine-Westphalia.

In this study, I investigated five aquatic plant species, which are considered as strong invaders in European water bodies. Crassula helmsii (Kirk) Cockayne, Hydrocotyle ranunculoides L.fil, Myriophyllum aquaticum (Velloso) Verdcourt and Myriophyllum heterophyllum Michaux are known from German water bodies and Ludwigia grandiflora (Michx.) Greuter & Burdet seems to be one of the next invaders in German waters.

Macrophyte mapping at the River Erft, which is known for a high number of alien aquatic plants, clearly showed a long-term effect of expanding alien aquatic plants on plant community structure. Results of the macrophyte mapping shows a great dynamic of aquatic macrophyte community structure and abundance of indigenous and non indigenous aquatic plants in the River Erft. In spite of the increasing number and abundance of non-indigenous plants in this river, no native species was outcompeted yet. Most of the alien plant species underwent interannual changes of their abundance; only size and number of stocks of non-native evergreen Vallisneria spiralis increased continuously during the investigation period from 2003 to 2007. Hygrophila polysperma, which was first recorded for Germany in 2005 during this study, increased also continuously, but it is hard to say anything about the further spread of this species.

Population biology of the five species was investigated in the field and in heated ponds to get information about the life cycle of each species. Crassula helmsii, Hydrocotyle ranunculoides, Myriophyllum aquaticum and Myriophyllum heterophyllum form dense stands in water bodies in North Rhine-Westphalia. These species are obviously growing well in German waters and show a certain winter hardiness. This can be expected in the future also for Ludwigia grandiflora, which was cultivated in some outdoor ponds in the laboratory garden.

Growth experiments were done to determine the influence of nutrient availability and different hydroregimes on growth of this species. Also regeneration capacities of each species were investigated. All demonstrate high regeneration capacity. They can regenerate from small shoot fragments with a node with or without leaves, and Myriophyllum aquaticum and Ludwigia grandiflora regenerate even from single leaves.

In growth experiments, emerging shoots of Crassula helmsii, Hydrocotyle ranunculoides, Myriophyllum aquaticum and Ludwigia grandiflora showed a significant increase of relative growth rate (RGR) at increasing nutrient availabilities in the soil. Floating Pennywort, Hydrocotyle ranunculoides, reached highest RGR of 0.132 ± 0.008 g g-1 dw d-1. In addition, Hydrocotyle ranunculoides, Ludwigia grandiflora and Myriophyllum aquaticum showed a high ability, to grow well under different water levels. The species reacted on different hydroregimes with species specific phenotypic plasticity.

Gas exchange measurements of emerged leaves (Hydrocotyle ranunculoides and Ludwigia grandiflora) and shoots (Crassula helmsii and Myriophyllum aquaticum) were done to get information about physiological characteristics. A new device, a flow through chamber combined with photooptical oxygen measurements, was constructed to investigate the gas exchange of submerged plants. In contrast to investigations of photosynthesis of aquatic plants in the past, with this approach, all important parameters (particular [CO2], pH and temperature of the surrounding water) could be adjusted and kept constant to measure the influence of a single factor (e.g. light and temperature) on gas exchange of submerged plants.

Gas exchange measurements of emerging shoots of Crassula helmsii, Hydrocotyle ranunculoides, Ludwigia grandiflora and Myriophyllum aquaticum showed the species specific physiological characters of each species. Hydrocotyle ranunculoides showed highest photosynthetic rates, reaching a maximum of ~ 3500 µmol CO2 g-1 dw leaf h-1 at 25 und 35 °C and ~ 800 µmol photons m-2 s-1. This was reasonably higher than maximum of photosynthetic rates of Ludwigia grandiflora ( ~ 2200 µmol CO2 g-1 dw leaf h-1 at ~ 700 µmol photons m-2 s-1 and 25 - 35°C), Crassula helmsii ( ~ 200 µmol CO2 g-1 dw shoot h-1 at ~ 300 µmol photons m-2 s-1 and 23 - 30°C) and Myriophyllum aquaticum ( ~ 400 µmol CO2 g-1 dw shoot h-1 at ~ 900 µmol photons m-2 s-1 and 27 - 37°C).

Photooptical gas exchange measurements of Crassula helmsii, Myriophyllum aquaticum and Myriophyllum heterophyllum quantified the influence of temperature and light on photosynthesis of submerged plants. The three species reached their maximum at the highest used temperature level of 25 °C. Light compensation point and light saturation range were influenced drastically by temperature. Comparing gas exchange of submerged and emerged shoots, submerged shoots of Myriophyllum aquaticum reached 55 % higher gas exchange rates (~ 154 µmol O2 mg-1 Chlabs h-1) than emerged shoots (~ 100 µmol CO2 mg-1 Chlabs h-1). In contrast, emerged shoots of Crassula helmsii reached higher (~ 91 µmol CO2 mg-1 Chlabs h-1) gas exchange rates than submerged shoots (~ 37 µmol O2 mg-1 Chlabs h-1). This indicates that Myriophyllum aquaticum may be described as a submerged aquatic plant, only secondary settling in emerged habitats. In contrast, Crassula helmsii has to be characterised as a primarily emerged species, only secondary settling in submerged habitats.

The investigated species showed their high potential to grow and spread successfully in Central Europe. Each species is able to form dense populations, and a further spread of them can be expected. Based on the physiological characteristics quantified, at least Hydrocotyle ranunculoides, Ludwigia grandiflora and Myriophyllum aquaticum will profit from the predicted climate change. In this case, dense monospecific stands of these species will cause problems for human use of water bodies and loss of biodiversity in infested waters.
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Fachbereich / Einrichtung:Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultät » WE Biologie » Geobotanik
Dokument erstellt am:10.07.2008
Dateien geändert am:10.07.2008
Promotionsantrag am:26.03.2008
Datum der Promotion:29.04.2008
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