Dokument: Entscheidungen von Augenzeug:innen in Gegenüberstellungen: Validierung und Anwendung eines multinomialen Modells zur Erfassung der zugrundeliegenden Prozesse

Titel:Entscheidungen von Augenzeug:innen in Gegenüberstellungen: Validierung und Anwendung eines multinomialen Modells zur Erfassung der zugrundeliegenden Prozesse
Weiterer Titel:Decisions of eyewitnesses in lineups: Validation and application of a multinomial model to measure the underlying processes
URL für Lesezeichen:https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=66414
URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20240729-092211-1
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Menne, Nicola Marie [Autor]
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Dateien vom 23.07.2024 / geändert 23.07.2024
Beitragende:Prof. Dr. Buchner, Axel [Gutachter]
Bell, Raoul [Gutachter]
Moshagen, Morten [Gutachter]
Dewey Dezimal-Klassifikation:100 Philosophie und Psychologie » 150 Psychologie
Beschreibungen:Die Tatsache, dass viele Justizirrtümer auf Fehlurteile durch Augenzeug:innen zurückzuführen sind, unterstreicht die Notwendigkeit, ein besseres Verständnis über die Prozesse zu erlangen, die den Entscheidungen von Augenzeug:innen zugrunde liegen. In der vorliegenden Dissertation wird ein neues multinomiales Verarbeitungsbaummodell vorgestellt, das es ermöglicht, unter Berücksichtigung aller Entscheidungsausgänge einer Gegenüberstellung zwei detektionsbasierte Prozesse – die Detektion der An- oder Abwesenheit der tatbeteiligten Person – und zwei nicht-detektionsbasierte Prozesse – eine auf Unfairness oder eine auf Raten basierte Auswahl – zu erfassen. Zu Validierungszwecken wurden für jeden der vier Modellparameter zwei bereits publizierte Datensätze mit geeigneten experimentellen Manipulationen reanalysiert, die den betreffenden Parameter in vorhersagbarer Weise beeinflussen sollten. In allen acht modellbasierten Reanalysen waren die Parameter nachweislich sensitiv für die Manipulationen der Prozesse, die sie erfassen sollten. Nach erfolgreicher Validierung wurden die Chancen des Modells für die Gegenüberstellungsforschung durch die Anwendung auf zwei konkrete Forschungsfragen aufgezeigt: (1) In den Experimenten 1a bis 1d wurde überprüft, ob die Verwendung digital kombinierter (gemorphter) Vergleichsbilder zu unfairen Gegenüberstellungen führt. Die Fairness von Gegenüberstellungen mit gemorphten und nicht-gemorphten Vergleichsbildern wurde wie üblich über die Entscheidungen von Pseudozeug:innen – Personen, die die Tat nicht beobachtet hatten – beurteilt. Mithilfe des Modells konnte zudem die Auftretenswahrscheinlichkeit des auf Unfairness basierten Auswahlprozesses einer tatverdächtigen Person direkt anhand der Daten der Augenzeug:innen erfasst werden. Basierend auf den Daten der Pseudozeug:innen hätte man schlussfolgern müssen, dass die Gegenüberstellungen mit gemorphten Vergleichsbildern unfairer waren als die Gegenüberstellungen mit nicht-gemorphten Vergleichsbildern. In den modellbasierten Analysen der Daten von Augenzeug:innen konnte hingegen kein Effekt der Morphing-Manipulation auf die Wahrscheinlichkeit einer auf Unfairness basierten Auswahl in sachgerecht durchgeführten Gegenüberstellungen gefunden werden. Diese divergierenden Befunde verdeutlichen die Unterschiede zwischen Augenzeug:innen und Pseudozeug:innen und demonstrieren damit, wie wichtig es ist, die Fairness einer Gegenüberstellung direkt anhand der Daten der Augenzeug:innen zu erfassen. (2) Weiterhin wurde in den Experimenten 2a und 2b der Einfluss der Gegenüberstellungsgröße auf die zugrundeliegenden Prozesse der Entscheidungen von Augenzeug:innen untersucht. Kleinere im Vergleich zu größeren Gegenüberstellungen verbesserten die Detektion der Anwesenheit der tatbeteiligten Person und reduzierten die Wahrscheinlichkeit einer ratebasierten Auswahl. Wenn jedoch eine ratebasierte Auswahl erfolgt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Auswahl zufällig auf die tatverdächtige Person fällt, in größeren Gegenüberstellungen niedriger als in kleineren Gegenüberstellungen. Ausblickend auf zukünftige Forschung wird abschließend eine erweiterte Variante des Modells vorgestellt, die auch eine Berücksichtigung der Konfidenzurteile von Augenzeug:innen erlaubt. Wie die vorliegende Dissertation zeigt, bietet das Modell vielseitige Möglichkeiten, um die Gegenüberstellungsforschung gewinnbringend voranzubringen.

The fact that numerous wrongful convictions can be attributed to eyewitness misidentification highlights the need to enhance the current understanding of the processes underlying eyewitness decisions. In this dissertation, a new multinomial processing tree model is introduced. By considering all decisions observed in lineups, the model serves to estimate two detection-based processes—the detection of the presence or absence of the culprit—and two non-detection-based processes—biased suspect selection and guessing-based selection. For validation purposes, two published data sets were reanalyzed for each of the four model parameters involving experimental manipulations intended to predictably influence the respective parameter. In all eight model-based reanalyses, the parameters were sensitive to manipulations of the processes they were designed to measure. After successful validation, the model’s potential for lineup research was demonstrated by applying it to two research questions: (1) In Experiments 1a to 1d, it was tested whether the use of digitally combined (morphed) filler photographs leads to unfair lineups. To mirror the approach that is commonly applied, the fairness of lineups with morphed and non-morphed fillers was assessed based on the decisions of mock-witnesses—persons who had not witnessed the crime. The biased selection of the suspects was also directly measured from eyewitness data using the model. The mock-witness data indicated that lineups with morphed fillers were more unfair than lineups with non-morphed fillers. However, the model-based analyses of eyewitness data yielded no effect of the morphing manipulation on biased suspect selection in properly conducted lineups. These divergent findings demonstrate the differences between eyewitnesses and mock witnesses and thus highlight the importance of measuring lineup fairness directly from eyewitness data. (2) Furthermore, in Experiments 2a and 2b, the influence of lineup size on the processes underlying eyewitness decisions was examined. Smaller compared to larger lineups increased culprit-presence detection and decreased guessing-based selection. However, if guessing-based selection occurs, the probability of randomly selecting the suspect is reduced in larger compared to smaller lineups. Finally, an outlook for future research was provided by introducing an extended version of the model which allows for the consideration of eyewitnesses’ confidence judgments. The findings derived from this dissertation show that the model is a promising measurement tool for enhancing lineup research.
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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
Fachbereich / Einrichtung:Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultät » WE Psychologie » Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie
Dokument erstellt am:29.07.2024
Dateien geändert am:29.07.2024
Promotionsantrag am:07.02.2024
Datum der Promotion:16.07.2024
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