Dokument: Erkenntnisse zur Evolution von Invertebraten-Opindehydrogenasen – Reinigung, Sequenzierung und heterologe Expression ausgewählter Alanopin- und Strombindehydrogenasen

Titel:Erkenntnisse zur Evolution von Invertebraten-Opindehydrogenasen – Reinigung, Sequenzierung und heterologe Expression ausgewählter Alanopin- und Strombindehydrogenasen
Weiterer Titel:Insights into the Evolution of Invertebrate Opine Dehydrogenases – Purification, Sequencing and Heterologous Expression of Selected Alanopine and Strombine Dehydrogenases
URL für Lesezeichen:https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=6513
URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20071213-104444-0
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Hergert, Ulrike [Autor]
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Dateien vom 11.12.2007 / geändert 11.12.2007
Beitragende:Prof. Dr. Grieshaber, Manfred K. [Gutachter]
Prof. Dr. Groth, Georg [Gutachter]
Stichwörter:Alanopindehydrogenase, Aminosäurespezifität, Beta-Alanopindehydrogenase, Chromatographie, Expressionsanalyse, Histidin-Arginin-Aspartat-Triade, Isozymanalyse, N-(Carboxyalkyl)-Aminosäure, Neighbor-Netz, Octopindehydrogenase, Oktopindehydrogenase, Opindehydrogenase, Peptidsequenzierung, phylogenetische Analyse, Phylogenie, Proteinreinigung, Pyruvatoxidoreduktase, Rossmannfalte, Sequenzvergleich, Strombindehydrogenase, Strukturvergleich, Tauropindehydrogenase, Verwandtschaftsanalyse
Dewey Dezimal-Klassifikation:500 Naturwissenschaften und Mathematik » 570 Biowissenschaften; Biologie
Beschreibungen:In den Geweben mariner Invertebraten findet sich eine bemerkenswerte Vielfalt terminaler Pyruvatoxidoreduktasen. Außer L- und D-Laktatdehydrogenasen treten Opindehydrogenasen (OpDHs) unterschiedlicher Substratspezifität auf, die durch NADH-abhängige reduktive Kondensation von Pyruvat mit einer Aminosäure ebenfalls die Redoxbalance der anaeroben Glykolyse sicherstellen können. Auf die molekulare Basis der Aminosäurespezifität und die Evolution dieser alternativen Pyruvatoxidoreduktasen fokussierte die vorliegende Arbeit. Da in öffentlichen Sequenzdatenbanken bis vor kurzem noch keine Alanopin- oder Strombindehydrogenasen (AloDHs oder StrDHs, bevorzugen als Substrataminosäure L-Alanin bzw. Glycin) verfügbar waren, wurden aus dem Wattwurm, Arenicola marina, dem Spritzwurm, Sipunculus nudus, sowie den Austern Crassostrea gigas und Ostrea edulis insgesamt fünf vollständige und eine partielle OpDH dieses Typs sequenziert, heterolog in Escherichia coli exprimiert und mit Einträgen aus öffentlichen Sequenzdatenbanken verglichen. Die Ergebnisse der proteinbiochemischen, molekularbiologischen und bioinformatischen Untersuchungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Im Hautmuskelschlauch des Wattwurms kommen nebeneinander genetisch differierende Alo(Str)DHs und Str(Alo)DHs vor. Zusätzlich wurden chromatographisch und elektrophoretisch separierbare Alo/StrDH-Varianten nachgewiesen, die sich möglicherweise nur in ihren posttranslationalen Modifikationen unterscheiden. Während die AloDHs diverser Wattwürmer in nativen Trägerampholytgradienten-Gelen bei einem mittleren pH von 5,26 fokussierten, offenbarten die StrDHs alkalischere isoelektrische Punkte von bis zu 6,12.
Aus Adduktoren Pazifischer Austern wurden dreierlei Alo/StrDHs mit isoelektrischen Punkten von 5,30 ± 0,09, 5,22 ± 0,08 und 5,15 ± 0,03 gereinigt. Sie setzten L-Alanin alle ähnlich effizient wie Glycin um. Die molekulare Basis ihres differierenden ionenchromatographischen und elektrophoretischen Verhaltens konnte durch massenspektrometrische Sequenzierung tryptischer Spaltpeptide nicht geklärt werden. cDNA-Amplifikationen lieferten jedoch (Teil-)Sequenzen von drei in jeweils rund 80 % ihrer Aminosäurereste übereinstimmenden Crassostrea-OpDHs (Alo/StrDH1, AloDH2 und Alo/StrDH3partiell), die im Adduktor einer einzelnen diploiden Auster cotranskribiert wurden. C. gigas verfügt somit über mindestens zwei OpDH-Loci. Möglicherweise leitet sich die Crassostrea-Alo/StrDH1, die bei Standardexpressionsversuchen in E. coli etwa gleich hohe Alanopin- und Strombinsyntheseaktivitäten zeigte, von einem polymorphen Alo/StrDH-Locus, die durch geringe Alanopin- und Strombinsynthese-, aber vergleichsweise hohe Opinoxidaseaktivitäten gekennzeichnete Crassostrea-AloDH2 dagegen von einem AloDH-Locus der Art ab. Die N-terminal unvollständige Alo/StrDH3partiell könnte ein Nullallel oder Pseudogen repräsentieren.
Nicht nur in Crassostrea-Adduktoren, sondern auch in Einzeladduktoren Europäischer Austern wurde elektrophoretisch die Koexistenz reiner AloDHs und kombinierter Alo/StrDHs nachgewiesen, die möglicherweise an unterschiedlichen Genorten codiert werden. Die sequenzierte Ostrea-OpDH entspricht offenbar einem Enzym der letztgenannten Art.
Isozymelektrophoresen und die Sequenzierung einer Spritzwurm-Alo/StrDH, die gemäß Expressionsanalyse in E. coli keine Octopindehydrogenase-Aktivität (ODH-Aktivität = L-Arginin-abhängige OpDH-Aktivität) besitzt, zeigten, daß die ODH- und die Alo/StrDH-Aktivität aus dem Hautmuskelschlauch von S. nudus auf verschiedene Enzyme zurückzuführen sind.
Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit sequenzierten Alo/StrDHs aus A. marina, C. gigas, O. edulis und S. nudus stimmen untereinander sowie mit den Mollusken- und Anneliden-OpDHs aus öffentlichen Sequenzdatenbanken in mindestens 33 % ihrer Aminosäurereste überein und zeichnen sich durch eine strikt konservierte katalytische Histidin-Arginin-Aspartat-Triade sowie diverse andere konservierte Schlüsselreste aus. Das belegt, daß es sich bei den genannten Enzymen um homologe Proteine handelt.
Obwohl mit den neu sequenzierten Enzymen neben ODHs und Tauropindehydrogenasen (TaDHs = OpDHs mit Taurinpräferenz) erstmals mehrere experimentell als solche verifizierte Alo/StrDHs für Sequenzalinierungen zur Verfügung standen, ließen sich nur bedingt Sequenzmerkmale identifizieren, welche die Aminosäurepräferenz der verschiedenen OpDHs determinieren könnten. Das ist vermutlich primär darauf zurückzuführen, daß Mollusken-, Anneliden- und Sipunculiden-OpDHs spezieller Aminosäurespezifität sich mehrfach unabhängig aus einem gemeinsamen Vorläuferenzym möglicherweise breiter Aminosäuretoleranz entwickelten. Die gleiche oder ähnliche Substratspezifität von Alo/StrDHs, ODHs bzw. TaDHs aus nicht unmittelbar verwandten Arten (etwa die der Austern-Alo/StrDHs und der Alo/StrDHs aus A. marina sowie S. nudus) besitzt somit wahrscheinlich eine unterschiedliche molekulare Grundlage.
Die Invertebraten-OpDHs des Mollusken-, Anneliden- und Sipunculiden-Typs bilden mit der N-(1-D-Carboxyethyl)-L-Norvalin-Dehydrogenase (CENDH) aus Arthrobacter spec., Ti-Plasmid-codierten Opinsynthasen aus Agrobacterium tumefaciens und anderen mutmaßlichen (D,L)-OpDHs eine möglicherweise auf tierische Organismen, Eubakterien und Pilze beschränkte Enzymfamilie. Zu den nächsten in öffentlichen Sequenzdatenbanken erfaßten Verwandten der OpDHs höherer Invertebraten gehören plasmidcodierte Rhizobienproteine unbekannter Funktion, von denen offenbar zumindest eins relevant für die symbiotische Beziehung zwischen Rhizobien und Leguminosen ist. Wahrscheinlich besteht auch eine entfernte Verwandtschaft zu langkettigen Mannitol-2-Dehydrogenasen sowie NADH-abhängigen Glycerin-3-Phosphatdehydrogenasen.
Bei den ersten CENDH-ähnlichen OpDHs handelte es sich möglicherweise um Opinsynthasen, die im Dienst der Eisenassimilation oder der zellulären Redoxregulation fakultativ anaerober Bakterien standen. Durch ihre Aktivität könnte es in den Habitaten entsprechender Bakterien zu einer allmählichen Akkumulation von N-(Carboxyalkyl)-Aminosäuren gekommen sein, die sekundär die Evolution von Opinoxidasen ernährungsphysiologischer Bedeutung nach sich zog. CENDH-ähnliche OpDHs gelangten vermutlich durch einmaligen (jedenfalls nach bisherigem Kenntnisstand nicht mehrfach unabhängig erfolgreichen) horizontalen Gentransfer aus einem (alpha-)proteobakteriellen Donor in einen gemeinsamen (eu-)metazoischen Vorläufer der heutigen Mollusken, Anneliden und Sipunculiden. Vielleicht wurde die OpDH eines in symbiotischer oder parasitischer Gemeinschaft zu einer marinen Makroalge lebenden, daneben aber auch als Epiphyt, Symbiont oder Parasit anderer Eukaryonten auftretenden photosynthetischen Bakteriums übertragen, das in seinen Eigenschaften rezenten aeroben anoxygenen Photoheterotrophen aus der marinen Roseobacter-Gruppe ähnelte und das Enzym für redoxregulatorische Zwecke im Kontext des photosynthetischen Elektronenflusses nutzte. Die Fixierung des bakteriellen OpDH-Gens im Genom eines ursprünglichen marinen Metazoons wurde wahrscheinlich dadurch begünstigt, daß dieser Organismus in seinen Geweben über hohe Konzentrationen freier Aminosäuren verfügte und L-Argininphosphat als Phosphagen nutzte. Da der OpDH-Transfer vermutlich bereits vor der Aufspaltung von Proto- und Deuterostomiern erfolgte, ist davon auszugehen, daß Vertebraten oder andere rezente Bilaterier, die nicht über OpDHs verfügen, ihre alternativen Pyruvatoxidoreduktasen im Verlauf ihrer Stammesgeschichte sekundär verloren haben.

A remarkable diversity of terminal pyruvate oxidoreductases is found in tissues of marine invertebrates. In addition to L- and D-lactate dehydrogenases opine dehydrogenases (opdhs) of different substrate specificity occur. They catalyse the NADH-dependent reductive condensation of pyruvate with an amino acid and thus can also ensure redox balance during anaerobic glycolysis. The present work focused on the molecular basis of the amino acid specificity and the evolution of these alternative pyruvate oxidoreductases. Since until recently no alanopine or strombine dehydrogenases (alodhs or strdhs, which prefer L-alanine and glycine, respectively, as their amino acid substrates) have been available in public sequence databases, mRNAs coding for five complete and one partial opdh of this type were sequenced from the lugworm, Arenicola marina, the peanut worm, Sipunculus nudus, and the oysters Crassostrea gigas and Ostrea edulis. The enyzmes were heterologously expressed in Escherichia coli and compared to entries in public sequence databases. The results of the biochemical, molecular and bioinformatic analyses of the work in hand can be summarised as follows:
In the body wall of the lugworm genetically distinguishable alo(str)dhs and str(alo)dhs coexist. Furthermore chromatographically and electrophoretically separable alo/strdh variants, which possibly only differ in posttranslational modifications, were detected. Whereas the alodhs of several lugworms electrofocussed at an average pH of 5.26 on native carrier ampholyte gradient gels, strdhs revealed more alkaline isoelectric points of up to 6.12.
Three kinds of alo/strdhs with isoelectric points of 5.30 ± 0.09, 5.22 ± 0.08 and 5.15 ± 0.03, which likewise used L-alanine and glycine at comparable rates, were purified from adductor muscles of Pacific oysters. The molecular basis of their different behaviour during anion exchange chromatography and native polyacrylamide gel electrophoresis could not be elucidated by mass spectrometric sequencing of tryptic peptides. cDNA amplifications, however, yielded (partial) sequences of three Crassostrea opdhs (alo/strdh1, alodh2 and alo/strdh3partial) with a coincidence of 80 % of their amino acid residues that were cotranscribed in the adductor of a single diploid oyster. Thus, C. gigas possesses at least two opdh loci. Crassostrea alo/strdh1, which during standard expression experiments in E. coli showed similar alanopine and strombine synthesising activities, possibly originates from a polymorphic alo/strdh locus. Crassostrea alodh2, which revealed only small alanopine and strombine synthesising activities, but proved to be a relatively efficient opine oxidase, might derive from an alodh locus of the species. The N-terminally incomplete alo/strdh3partial could represent a null allele or pseudogene.
In individual adductor muscles of Ostrea edulis as in Crassostrea the coexistence of pure alodhs and combined alo/strdhs potentially encoded at different genetic loci was demonstrated electrophoretically. The sequenced Ostrea opdh is obviously equivalent to an enzyme of the latter type.
Isozyme electrophoreses and sequencing of an alo/strdh of the peanut worm, which according to expression analysis in E. coli does not exhibit octopine dehydrogenase activity (odh activity = opdh activity depending on L-arginine), confirmed that the odh and alo/strdh activities from the body wall of S. nudus result from different enzymes.
The alo/strdhs of A. marina, C. gigas, O. edulis and S. nudus, which were sequenced within the present work, match each other and molluscan as well as annelid opdhs from public sequence databases in at least 33 % of their amino acids. Together with the strict conservation of several key residues including those of the Rossmann motif and a catalytic histidine-arginine-aspartate-triad this verifies that the enzymes are homologous.
Although for the first time several experimentally confirmed alo/strdhs were available for sequence alignments in addition to odhs and tauropine dehydrogenases (tadhs = opdhs preferring taurine as their amino acid substrate) no definite sequence characteristics determining the amino acid preferences of opdhs could be identified. This might primarily be due to the fact that molluscan, annelid and sipunculid opdhs of particular amino acid specificity developed several times independently from a common precursor of possibly broad amino acid tolerance. For this reason the same or similar substrate specificities of alo/strdhs, odhs and tadhs, respectively, from species that are not directly related (for example those of alo/strdhs from oysters or rather A. marina as well as S. nudus) presumably possess a different molecular basis.
Invertebrate opdhs of the mollusc-annelid-sipunculid-type, the N-(1-D-carboxyethyl)-L-norvaline dehydrogenase (CENDH) of Arthrobacter spec., Ti-plasmid encoded opine synthases from Agrobacterium tumefaciens and other putative (D,L)-opdhs form an enzyme family probably restricted to animals, eubacteria and fungi. Plasmide encoded rhizobial proteins of unknown function, at least one of which seems to be relevant for symbiosis between rhizobia and legumes, belong to the closest relatives of opdhs from higher animals currently available in public sequence databases. Long-chained mannitol 2-dehydrogenases and NADH-dependent glycerol-3-phosphate dehydrogenases may also be related to these opdhs.
Perhaps the first CENDH-like opdhs were opine synthases helping for iron assimilation or cellular redox regulation of facultative anaerobic bacteria. Due to their activity N-(carboxyalkyl)-amino acids could have been accumulated in the habitats of such bacteria. This in turn might have caused the secondary evolution of opdhs that possess nutritional relevance. Presumably a common (eu-)metazoan ancestor of today’s molluscs, annelids and sipunculids acquired CENDH-like opdhs by nonrecurring (or at least not more than once independently successful) horizontal gene transfer from an (alpha-)proteobacterial donor. The transferred opdh could have originated from a photosynthetic bacterium, which lived in symbiotic or parasitic relationship with a marine macro alga, but also occurred as an epiphyte, symbiont or parasite of other eukaryotes. Maybe the bacterium resembled recent aerobic anoxygenic photoheterotrophs and used the enzyme for redox regulation in the context of photosynthetic electron transport. The fixation of the bacterial opdh in the genome of a primordial marine metazoon could have been favoured since this organism contained high concentrations of free amino acids in its tissues and used phospho-L-arginine as phosphagene. It seems likely that the transfer took place before the divergence of proto- and deuterostomes. Thus it is assumed that vertebrates and other bilaterians, which do not exhibit opdhs, secondarily lost their alternative pyruvate oxidoreductases in the course of their evolution.
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Fachbereich / Einrichtung:Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultät » WE Biologie » Zoophysiologie
Dokument erstellt am:11.12.2007
Dateien geändert am:11.12.2007
Promotionsantrag am:24.09.2007
Datum der Promotion:21.11.2007
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