Dokument: Artifizielle Reproduktionszukünfte: Ethische Perspektiven experimenteller Technologien

Titel:Artifizielle Reproduktionszukünfte: Ethische Perspektiven experimenteller Technologien
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20240201-134211-8
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Rolfes, Vasilija [Autor]
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Dateien vom 18.01.2024 / geändert 18.01.2024
Beitragende:Prof. Dr. Fangerau, Heiner [Gutachter]
Prof. Dr. med. Fehm, Tanja [Gutachter]
Dewey Dezimal-Klassifikation:600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit
Beschreibungen:Zu den Ursachen der Infertilität bzw. ungewollter Kinderlosigkeit gehört die biologische Infertilität. Diese kann gerade bei Frauen bedingt sein durch ein höheres Alter, da mit höherem Alter die Fruchtbarkeit sinkt, bis sie gar nicht mehr vorhanden ist. Ferner kann ungewollte Kinderlosigkeit auch homosexuelle Paare und Personen betreffen sowie Personen, die sich ohne Partner reproduzieren wollen. Hier und bei der Verbesserung der Erfolgsquote, der sog. „baby-take-home“ Rate, versprechen heute noch experimentelle Reproduktionsverfahren zukünftige Lösungsansätze.
In der Reproduktionsmedizin können Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) dazu genutzt werden, die Auswahl von Spermazellen, Eizellen und Embryonen zu verbessern sowie bessere Vorhersagemodelle für die In-vitro-Fertilisation (IVF) zu generieren. Bei der potenziellen klinischen Anwendung entstehen komplexe Fragestellungen in Hinblick auf Evidenz und Wirksamkeit einer unterstützenden Anwendung. Hinzu treten die Herausforderungen einer informierten Zustimmung und zu bestimmenden Risiken-Nutzen-Relation für zukünftige Kinder. Aufgrund der vielen Akteure, die bei der Diagnosestellung beteiligt sind, können Fragen der Verantwortung ggf. nicht vollständig geklärt werden. Auch stellen sich Fragen nach der gerechten Kostenerstattung.
Angesichts der rasanten Entwicklungen der Genom-Editierung der Keimbahn – insbesondere durch das effektive und zielgerichtete CRISPR/Cas-Verfahren (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeat) – kann angenommen werden, dass auch CRISPR/Cas weitreichende Auswirkungen auf die Reproduktions- und Pränatalmedizin haben wird. Die Fokussierung auf die so genannte Geneditierung mit dem Ziel, Krankheiten zu therapieren oder präventive Maßnahmen durchzuführen, begünstigt ein mechanistisch-biomedizinisches Modell des Menschen. Werte, Tugenden und Motivationen sowie andere soziale Aspekte würden eventuell ausgeblendet.
Die aktuelle Forschung zu künstlichen Gameten, die aus ausdifferenzierten somatischen Zellen generiert werden, zeigt in Richtung einer potenziellen klinischen Anwendung. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den ethischen Aspekten neuer experimenteller Reproduktionsverfahren, die in der klinischen Anwendung neue biologische Elternkonstellationen ebenso hervorbringen wie klassische Muster der biologischen Elternschaft verschieben können. Das Verfahren der In-vitro-Gametogenese (IVG) könnte für die Reproduktion bei Frauen in einem fortgeschrittenen und sehr fortgeschrittenen reproduktiven Alter, für die „Solo-Reproduktion“ und für homosexuelle Paare genutzt werden. In dieser Arbeit werden die möglichen Auswirkungen und ihre ethischen Aspekte für die ärztliche Praxis erarbeitet.
Die potenzielle Anwendung der IVG und damit zusammenhängenden ethischen Fragestellungen ähneln denen, die schon für die Kryokonservierung von Eizellen und der Eizellespende verhandelt worden sind. Vorteile der IVG gegenüber bisher etablierten Verfahren wären u.a., dass die psychische und physische Belastung durch Stimulation und Punktion der Eizelle vermieden werden könnte, Frauen sich nicht zwangsläufig in jungen Jahren mit der Mutterschaft auseinandersetzen müssten, ethische Bedenken in Bezug auf die Eizellspende ausgeräumt wären und dass es durch die IVG in Kombination mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) wahrscheinlicher wäre, geeignete Eizellen oder Embryonen zu finden.
Die Forschung um KI, IVG in der Reproduktionsmedizin und der Einsatz von CRISPR/Cas für Keimbahninterventionen betrifft Entscheidungen auf individueller Ebene ebenso wie solche auf der allgemeinen Ebene des Gesundheitswesens. Daher ist eine frühzeitige interdisziplinäre Debatte mit Disziplinen wie Medizin, Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Rechtswissenschaften notwendig, um die sozialethischen Folgen frühzeitig zu überblicken.

One of the causes of infertility or involuntary childlessness is physical infertility. This can be due to advanced age, especially in women, as fertility decreases with age until it is no longer present. Involuntary childlessness can also affect homosexual couples and people who want to reproduce without a partner. Here, as well as in improving the success rate, the so-called "baby-take-home" rate, today, experimental reproductive methods promise possible solutions.
In reproductive medicine, artificial intelligence (AI) methods can be used to improve the selection of sperm, eggs and embryos, and to create better prediction models for in vitro fertilization (IVF). Potential clinical applications raise complex questions about the evidence and effectiveness of assisted reproduction. There are also the challenges of informed consent and the risk-benefit ratio for future children. Because of the many stakeholders involved in diagnosis, issues of responsibility may not be fully resolved. There are also questions about fair reimbursement.
Given the rapid developments in germline genome editing - particularly through the powerful and targeted Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeat (CRISPR/Cas) method - it is likely that CRISPR/Cas will also have a far-reaching impact on reproductive and prenatal medicine. The focus on so-called genome editing for disease treatment or prevention promotes a mechanistic, biomedical model of the human being. Values, virtues, and motivations, as well as other social aspects, may be left out.
Current research on artificial gametes generated from differentiated somatic cells is pointing in the direction of potential clinical application. This thesis considers the ethical aspects of new experimental reproductive techniques, which if used clinically, could create new parental constellations and alter traditional patterns of biological parenthood. The technique of in vitro gametogenesis (IVG) could be used for reproduction in women of advanced and very advanced reproductive age, for "solo reproduction" and for homosexual couples. This thesis considers the potential implications and their ethical aspects for medical practice.
The potential use of IVG and the ethical issues involved are similar to those already discussed for oocyte cryopreservation and oocyte donation. Advantages of IVG over previously established procedures would include avoiding the psychological and physical stress of oocyte stimulation and puncture; women would not necessarily have to face motherhood at a young age; ethical concerns about oocyte donation would be addressed; and IVG combined with preimplantation genetic diagnosis (PGD) increase the likelihood of finding suitable eggs or embryos.
Research on AI, IVG in reproductive medicine, and the use of CRISPR/Cas for germline interventions has implications for decisions at the individual level as well as those at the broader health care level. Therefore, an early interdisciplinary debate with disciplines such as medicine, natural sciences, humanities, social sciences and law is necessary to provide an overview of the socio-ethical consequences at an early stage.
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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät » Institute » Institut für Geschichte der Medizin
Dokument erstellt am:01.02.2024
Dateien geändert am:01.02.2024
Promotionsantrag am:25.05.2023
Datum der Promotion:20.11.2023
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