Dokument: Validierung und Anwendung eines multinomialen Verarbeitungsbaummodells für Augenzeugengegenüberstellungen

Titel:Validierung und Anwendung eines multinomialen Verarbeitungsbaummodells für Augenzeugengegenüberstellungen
Weiterer Titel:Validation and application of a multinomial processing tree model for eyewitness identification decisions
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20230915-112029-4
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Winter, Kristina [Autor]
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Dateien vom 13.09.2023 / geändert 13.09.2023
Beitragende:Prof. Dr. Buchner, Axel [Gutachter]
PD. Dr. Raoul Bell [Gutachter]
Stichwörter:Modellvalidierung, Multinomiale Verarbeitungsbaummodelle, Augenzeugengegenüberstellungen, Augenzeugenidentifikationen
Dewey Dezimal-Klassifikation:100 Philosophie und Psychologie » 150 Psychologie
Beschreibungen:Augenzeugengenüberstellungen sind ein wichtiges Beweismittel, um nach einer Tat
die tatbeteiligte Person zu verurteilen. Sie sind jedoch fehleranfällig. Es ist daher ausschlaggebend, sie zu optimieren. Traditionell wird die Güte einer Gegenüberstellungsprozedur z. B. durch die Verwendung von Receiver-Operating-Characteristic-Kurven (ROC-Kurven) ermittelt. Allerdings können ROC-Kurven Identifikationsentscheidungen nur vereinfacht modellieren. So vernachlässigen sie wichtige Informationen. Ein neues Messmodell, das die vollständige Antwortstruktur von Gegenüberstellungen berücksichtigt, wird in der vorliegenden Arbeit vorgestellt, validiert und
angewendet. Dieses Two-High Threshold Eyewitness Identification Model (2-HT EIM) gehört zur Klasse multinomialer Verarbeitungsbaummodelle, welche speziell geeignet
sind, latente kognitive Prozesse auf Basis von Antworthäufigkeiten darzustellen. Das
2-HT EIM schätzt vier kognitive Prozesse, die Augenzeugenidentifikationen zugrunde liegen können: das Erkennen der An- bzw. Abwesenheit der tatbeteiligten
Person, das Erkennen, ob eine verdächtige Person aus einer Gegenüberstellung aufgrund von Unfairness hervorsticht, und Raten. In den Experimenten 1 bis 4 wurden
die vier Modellparameter, die diese Prozesse abbilden, erfolgreich validiert. Dafür
wurden die Prozesse selektiv durch gezielte experimentelle Manipulationen beeinflusst, nämlich durch die Manipulation der Expositionszeit, der Unfairness, der suggerierten Wahrscheinlichkeit der Anwesenheit einer tatbeteiligten Person und der
Einfachheit der Zurückweisung einer Gegenüberstellung. Anschließend wurde das
2-HT EIM auf eine praktische Fragestellung angewendet: In der Forschung sind
First-Yes-Counts-Instruktionen verbreitet, um eine Gegenüberstellung nach der ersten
positiven Identifikation zu terminieren. Sie werden aber in der polizeilichen Praxis
nicht verwendet. Horry et al. (2021) untersuchten erstmals den systematischen Einfluss solcher Instruktionen auf die Diskriminationsfähigkeit und Ratetendenz von
Augenzeugen bzw. Augenzeuginnen. Sie fanden eine verringerte Ratetendenz durch
diese Instruktionen. In einer Reanalyse ihrer Daten mit dem 2-HT EIM und in einer
konzeptuellen Replikationsstudie in Experiment 5 wurden diese Schlussfolgerungen
bestätigt und ihre Robustheit bekräftigt. Die Nutzung von First-Yes-Counts-Instruktionen in der wissenschaftlichen Forschung ist folglich problematisch, weil so die Gegebenheiten in der polizeilichen Praxis nicht ökologisch valide abgebildet werden. In
Zukunft sollte die Forschung zu Augenzeugenidentifikationen adäquate Messmodelle wie das 2-HT EIM und ökologisch valide Prozeduren verwenden, damit gefundene Ergebnisse aussagekräftig und auf die polizeiliche Praxis übertragbar sind.

Eyewitness testimonies are an important piece of evidence for convicting a culprit after a crime has been committed. However, they are prone to error. It is therefore crucial to optimize these procedures. Traditionally, the quality of a lineup procedure is
determined by using, for example, receiver operating characteristic (ROC) curves. However, ROC curves can only model identification decisions in a simplified way. Thus,
they neglect important information. A new measurement model that takes into account the full response structure of lineups is presented, validated, and applied in
the present work. This two-high threshold eyewitness identification model (2-HT EIM) belongs to the class of multinomial processing tree models that are specifically tailored
to measure latent cognitive processes based on response frequencies. The 2-HT EIM
assumes four cognitive processes that can underlie eyewitness identification decisions: detection of the presence or absence of the culprit, recognizing whether a suspect stands out in a lineup due to unfairness and guessing. In Experiments 1 to 4, the
four model parameters representing these processes were successfully validated. For
this purpose, the processes were selectively influenced by specific experimental manipulations: the manipulation of exposure time, unfairness of a lineup, the suggested
probability of the presence of a culprit and the ease of rejecting a lineup. The 2-HT
EIM was then utilized for an applied research question: First-Yes-Counts instructions
are common in research and are used to terminate a lineup after the first positive
identification. However, they are not utilized in police practice. Horry et al. (2021)
were the first to examine the systematic influence of such instructions on discriminability and guessing behavior in eyewitnesses. They found a reduced guessing tendency due to these instructions. In a reanalysis where the 2-HT EIM was applied to
their data and in a conceptual replication study in Experiment 5, these results were
confirmed and their robustness verified. Consequently, the use of First-Yes-Counts
instructions in scientific research is problematic because it does not provide an ecologically valid representation of applied police practice. Future research on eyewitness identification decisions should use adequate measurement models such as the 2-
HT EIM and ecologically valid procedures so that gained results are meaningful and
transferable to police practice.
Lizenz:Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
Fachbereich / Einrichtung:Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultät » WE Psychologie » Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie
Dokument erstellt am:15.09.2023
Dateien geändert am:15.09.2023
Promotionsantrag am:19.07.2023
Datum der Promotion:12.09.2023
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