Dokument: Trunkenheitsfahrten mit dem Fahrrad gemäß §316 StGB – eine retrospektive Analyse für das Stadtgebiet Düsseldorf

Titel:Trunkenheitsfahrten mit dem Fahrrad gemäß §316 StGB – eine retrospektive Analyse für das Stadtgebiet Düsseldorf
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20230803-154706-1
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Bothorn, Jan-Bernd [Autor]
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Dateien vom 31.07.2023 / geändert 31.07.2023
Beitragende:Prof. Dr. Hartung, Benno [Gutachter]
Prof. Dr. Kienbaum, Peter [Gutachter]
Stichwörter:Alcohol; CUI; Criminal offense; Cycling under the influence; Hipflask defence
Dokumententyp (erweitert):Dissertation
Beschreibungen:Der aktuell in Deutschland gültige Grenzwert für die absolute Fahrunsicherheit von Rad- und Pedelecfahrer*innen liegt bei 1,60 ‰ und basiert auf praktischen Fahrversuchen aus den Achtzigerjahren. Fahrradfahrversuche unter Alkoholeinfluss können durch die künstliche Erhebungssituation verzerrt sein und Unfallanalysen berücksichtigen regelmäßig nur Vorfälle mit Verletzungen. Systematische Auswertungen von Ermittlungsakten von polizeilich auffällig gewordenen alkoholisierten Radfahrer*innen liegen bislang noch nicht vor. Um diese Lücke zu schließen, wurden sämtliche verfügbaren staatsanwaltschaftlichen Akten von alkoholisierten Radfahrer*innen der Jahre 2009-2018 im Stadtgebiet Düsseldorf analysiert. Diese Arbeit bietet Hinweise zur Identifikation von alkoholisierten Radfahrer*innen, erklärt die Problematik einer adäquaten Promillegrenze für Radfahrer*innen und gibt Hilfestellung bei der Einordung von Befunden der ärztlichen Untersuchung im Rahmen der Blutabnahme zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration (BAK).
Nachdem alle polizeilich erfassten Fälle von Radfahrenden unter Alkoholeinfluss aus den Jahren 2009 bis 2018 aus Düsseldorf identifiziert werden konnten, war es möglich, 388 Ermittlungsakten zu analysieren. Nach Ausschluss von Fällen, in denen neben Alkohol auch andere berauschende Mittel konsumiert wurden, konnten schließlich 372 Fälle in die Auswertungen eingeschlossen werden.
Die durchschnittliche BAK lag sowohl bei Männern als auch bei Frauen bei knapp 2,00 ‰. Männer waren überrepräsentiert (6:1). Fast 60 % der Fälle wurden zwischen Freitag (00:00 Uhr) und Sonntag (24:00 Uhr) registriert. Die durchschnittliche BAK war nachts (01:00-05:59 Uhr) um 0,39 ‰ niedriger als tagsüber (06:00-17:59 Uhr). Nur 61 Personen wurden mit einer BAK unterhalb von 1,60 ‰ auffällig. In mehr als 1/3 aller Fälle war die unsichere Fahrweise der Beschuldigten der Auslöser für den Kontakt mit der Polizei und in etwa 28 % aller Fälle kam es zum Fahren von Schlangenlinien. Nachtrunkbehauptungen scheinen bei Radfahrer*innen fast keine Rolle zu spielen. Im Durchschnitt wurden 33 Tagessätze (Median: 30) als Strafmaß festgesetzt. Bei der Auswertung der im Rahmen der Blutabnahme durchgeführten medizinischen Tests zeigte sich eine geringe oder teils sogar fehlende Diskriminationsfähigkeit der etablierten Tests zur Erkennung des Alkoholeinflusses.
Im Straßenverkehr werden alkoholisierte Radfahrer*innen meistens mit einer BAK oberhalb der Grenze der absoluten Fahrunsicherheit für Radfahrer*innen von 1,60 ‰ festgestellt. Radfahrende mit BAKen unter 1,60 ‰ scheinen entweder keinen relevanten Einfluss auf die Verkehrssicherheit darzustellen oder wurden bisher nur unzureichend polizeilich erfasst. Um strafrechtlich belangt zu werden, müssen betrunkene Radfahrende offenbar sehr unsicher oder rücksichtslos fahren bzw. einen Unfall verursachen. Des Weiteren lassen die Befunde der Polizeiärzt*innen Zweifel darüber aufkommen, ob die verwendeten medizinischen Tests oder deren Durchführungsweise zuverlässig zwischen verschiedenen Ausmaßen des Alkoholeinflusses unterscheiden. Weder schlossen negative Tests hohe BAKen aus, noch korrelierten positive Tests gut mit der Höhe der BAK. Folglich sollten die Ergebnisse der medizinischen Tests bei alkoholisierten Personen nur synoptisch bewertet werden.

The current threshold of “absolute impaired” riding for cyclists in Germany is 1.6 g/kg blood alcohol concentration (BAC) and is based on experimental driving tests from the 1980s. Cycling tests under the influence of alcohol might be biased by laboratory settings and accident analyses regularly only take into account incidents with injuries. Systematic evaluations of investigation files of drunken cyclists who have come to the attention of the police are not yet available. In order to close this gap, all available public prosecutor's files on drunken cyclists from 2009-2018 in the Düsseldorf city area were analysed. This work provides information on the identification of intoxicated cyclists, on the problem of an adequate blood-alcohol limit for cyclists, as well as assistance in classifying the findings of the medical examination in the context of the blood draw to determine the BAC.
After all police-recorded cases of cyclists under the influence of alcohol from the years 2009 to 2018 from Düsseldorf were identified, it was finally possible to analyse 388 prosecution files. After exclusion of cases in which other intoxicating substances besides alcohol were consumed, 372 cases were included in the study.
Mean blood alcohol concentration was approximately 2.00 g/kg BAC for both men and women. Men were overrepresented (6:1). Almost 60 % of the cases were registered between Friday (00:00) and Sunday (24:00). The average BAC was 0.39 g/kg lower at night (01:00-05:59) than during the day (06:00-17:59). Only 61 cyclists were conspicuous with a BAC below 1.60 g/kg. In more than 1/3 of all cases, the unsafe driving of the accused person was the trigger for contact with the police and in about 28 % of all cases, driving in a serpentine manner occurred. Drinking after cycling allegations appear almost irrelevant among (German) cyclists. On average, the legal outcomes show 33 daily rates (median: 30). The evaluation of the medical tests carried out in the course of the blood withdrawal revealed a low or partly even missing discriminatory ability of the established tests for the detection of alcohol influence.
In road traffic, cyclists under the influence of alcohol are usually found to have a BAC above the threshold for the absolute impaired riding of 1.60 g/kg. Cyclists with BACs below 1.60 g/kg either do not seem to have a relevant influence on road safety or have been incompletely addressed thus far. To be legally prosecuted, drunk cyclists obviously either have to ride their bikes in a highly insecure or rude manner or they must cause an accident. Furthermore, the findings of the police doctors raise doubts as to whether the medical tests used or the way they are carried out reliably distinguish between different levels of alcohol influence. Neither did negative tests exclude high BACs, nor did positive tests correlate well with BACs. Consequently, the results of medical tests in alcoholised individuals should only be interpreted synoptically.
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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät » Institute » Institut für Rechtsmedizin
Dokument erstellt am:03.08.2023
Dateien geändert am:03.08.2023
Promotionsantrag am:26.03.2023
Datum der Promotion:18.07.2023
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