Dokument: Stigmatisierung im Kontext von Mental Health Literacy und Hilfesuchverhalten

Titel:Stigmatisierung im Kontext von Mental Health Literacy und Hilfesuchverhalten
Weiterer Titel:Stigmatization in the context of Mental Health Literacy and help-seeking behaviour
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20221118-084039-7
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Doll, Carolin Martha [Autor]
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Dateien vom 05.11.2022 / geändert 05.11.2022
Beitragende:PD Dr. Frauke Schultze-Lutter [Gutachter]
Prof. Dr. Dr. Kai Vogeley [Gutachter]
Stichwörter:Mental Health Literacy, Stigmatisierung, Hilfesuchverhalten
Dewey Dezimal-Klassifikation:600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit
Beschreibungen:Jeder vierte erwachsene Europäer erfüllt innerhalb eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Betroffene leiden nicht nur unter den Symptomen, sondern erfahren häufig auch eine gesellschaftliche Stigmatisierung. Sie suchen daher keine Hilfe oder nehmen diese nur mit einer erheblichen Verspätung in Anspruch. Um einer Stigmatisierung entgegenzuwirken, wurden seit den 90er Jahren in Anti-Stigma-Kampagnen versucht, das Wissen über psychische Erkrankungen, der sogenannten Mental Health Literacy (MHL), zu verbessern. Wenn auch MHL in der Bevölkerung zunahm, so stellt die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen noch heute ein Problem dar.
In der vorliegenden Arbeit wurde daher in einer Stichprobe von 1526 deutschsprachigen Teilnehmern aus der Schweizer ‚Bern Epidemiological At-Risk‘ Studie (Alter 16-40 Jahre) der Einfluss von MHL auf Stigmatisierung untersucht. Des Weiteren wurden potentielle Prädiktoren von Hilfesuchverhalten in einer Stichprobe von 307 Personen mit mentalen gesundheitlichen Problemen prospektiv analysiert. Beide Untersuchungen wurden mithilfe eines Strukturgleichungsmodells (SEM), welches gegenüber Regressionsanalysen den Vorteil hat, nicht nur direkte, sondern auch indirekte Effekte zu berücksichtigen, durchgeführt. Hierbei zeigte sich kein direkter Zusammenhang zwischen MHL und Stigmatisierung im Sinne des Wunsches nach sozialer Distanz (WSD). Als Ursachenmodell hatte nur das psychosoziale Ursachenmodell einen reduzierenden Effekt auf den WSD. Im Gegensatz dazu führte das Stereotyp ‚wahrgenommene Gefährlichkeit‘, welches durch eine vermehrte biogenetische Ursachenzuschreibung für die psychische Erkrankung verstärkt und durch eine vermehrte psychosoziale Ursachenzuschreibung vermindert wurde, zu einem erhöhten WSD. Außerdem prädizierte Funktionsbeeinträchtigung, gefolgt von bereits erfolgtem Hilfesuchverhalten zu Untersuchungsbeginn, Hilfesuchverhalten während der drei Folgejahre am besten. In der longitudinalen Studie zeigte sich, dass die zu Studienbeginn gemessene antizipierte Stigmatisierung (antizipiertes Schamgefühl, wenn Freunde über eigene Hilfesuche erfahren würden) das Hilfesuchverhalten langfristig reduzierte. Im Gegensatz dazu hatten die persönliche Stigmatisierung oder die wahrgenommene Stigmatisierung langfristig keinen signifikanten Einfluss auf das Hilfesuchverhalten. Schlussendlich sollten Anti-Stigma-Kampagnen in Hinblick auf die Entstehung von psychischen Erkrankungen neben biogenetischen Ursachenmodellen, psychosoziale Ursachenmodelle hervorheben. Es zeigte sich auch eine klare Behandlungslücke, da nur 22.5% der Personen mit psychischen Problemen innerhalb von drei Jahren Hilfe aufsuchten. Da die Funktionsbeeinträchtigung der stärkste Prädiktor war, lässt sich schlussfolgern, dass Personen erst Hilfe für persönliche Probleme suchen, wenn diese mit stärkeren Einschränkungen verbunden sind.

In a given year, one in four European adults are fulfilling the criteria for a mental illness. Although people with a mental illness suffer not only from their symptoms, but also experiencing stigmatization, the majority of people with a mental illness do not seek help at all or only with a significant delay. In order to reduce stigmatization, in the last decades anti-stigma campaigns tried to enhance the knowledge of mental illness, the so-called Mental Health Literacy (MHL). Although MHL has increased over the last decades, stigmatization of people with mental illness is still a common problem.
In the present work we examined the interplay of MHL and stereotypes on stigma, which was measured by the wish for social distance (WSD), from a community sample of 1,526 German-speaking participants in the Swiss ‘Bern Epidemiological At-Risk’ study (age 16-40 years). Furthermore, we assessed potential predictors of help-seeking behaviour among 307 people with mental health problems in this sample over 3 years. Both analyses were conducted by using structural equation modelling, which has the advantage to consider not only direct but also indirect effects compared to regression analysis. It was shown that MHL was hardly directly linked to WSD. Only the psychosocial model had a direct, stigma-reducing association with WSD. In contrast, the stereotype ‘perceived dangerousness’, which was increased by a biogenetic explanation model of mental illness and decreased by a psychosocial explanation model of mental illness, caused a higher WSD.
Furthermore, functional impairment at baseline, followed by help-seeking at baseline, were the best predictors for follow-up help-seeking in the consecutive three years. Whereas in the longitudinal study anticipated stigma at baseline (anticipated embarrassment, when friends would know about own help-seeking) reduced help-seeking behaviour in the long-term, personal and public stigma had no significant longitudinal effect on help-seeking behaviour.
In summary, anti-stigma campaigns should beyond biological models emphasize psychosocial models. Additionally, there was a clear treatment gap as only 22.5% of persons with mental problems sought help to address these issues within three years. Functional deficits, were the strongest predictor of help-seeking, indicating that help is only sought when mental problems have become more severe.
Lizenz:Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät
Dokument erstellt am:18.11.2022
Dateien geändert am:18.11.2022
Promotionsantrag am:12.03.2019
Datum der Promotion:27.10.2022
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