Dokument: Probleme und Optimierungsmöglichkeiten bei der Leichenschau als besondere ärztliche Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen Medizin, Kriminalistik und Recht
Titel: | Probleme und Optimierungsmöglichkeiten bei der Leichenschau als besondere ärztliche Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen Medizin, Kriminalistik und Recht | |||||||
URL für Lesezeichen: | https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=60076 | |||||||
URN (NBN): | urn:nbn:de:hbz:061-20220705-085144-6 | |||||||
Kollektion: | Dissertationen | |||||||
Sprache: | Deutsch | |||||||
Dokumententyp: | Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation | |||||||
Medientyp: | Text | |||||||
Autor: | Küppers, Lisa [Autor] | |||||||
Dateien: |
| |||||||
Beitragende: | Prof. Dr. med. Ritz-Timme, Stefanie [Gutachter] Dr. med. habil. Neukirchen, Martin [Gutachter] | |||||||
Dewey Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit | |||||||
Beschreibungen: | Die ärztliche Leichenschau ist in Deutschland seit Jahrzehnten Gegenstand politischer, wissenschaftlicher und medialer Diskussionen. Trotz zahlreicher Optimierungsbestre-
bungen zur Verbesserung der Leichenschauqualität weisen aktuelle Studien noch hohe ärztliche Fehlerquoten nach. Es wird gar von der „Misere der ärztlichen Leichenschau“ gesprochen, wobei vielfältige mögliche Ursachen diskutiert werden. Übergeordnetes Ziel dieser Arbeit war es, die diesbezüglich bereits bekannten Ursachen zu spezifizieren, weitere, bisher möglicherweise nicht erkannte Probleme zu identifizieren und Verbesse- rungsmöglichkeiten abzuleiten. Dazu wurden zunächst (Teil I der Arbeit) Aufzeichnungen aus den Jahren 2016 bis 2019 zu 1.414 Krematoriumsleichenschauen, die bei vorliegenden Hinweisen auf einen nicht natürlichen Tod Anlass zu einer Überprüfung geboten hatten, retrospektiv analysiert. Die Freigabequote nach Rücksprache mit den ÄrztInnen der ersten Leichenschau war bei Formfehlern und nicht erklärten Zeichen medizinischer Eingriffe oder Verletzungen hoch. Nach Meldung an die Ermittlungsbehörden wurden bei Fällen mit Unfall- oder Gewalter- eignissen nur wenige, bei Aspirationsereignissen gar keine Obduktionen angeordnet. Die besonderen Perspektiven verschiedener bei Sterbefällen involvierter Berufsgruppen (ÄrztInnen verschiedener Fachrichtungen, VertreterInnen der Ermittlungsbehörden) auf die Probleme bei der Leichenschau wurden in Form einer Fokusgruppenstudie mit 25 TeilnehmerInnen untersucht (Teil II der Arbeit). Die Fokusgruppeninterviews wurden durch eine Moderatorin mithilfe eines Interviewleitfadens durchgeführt, per Tonauf- nahme festgehalten und in anonymisierter Form transkribiert. Die Transkripte wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Es ergaben sich fünf Hauptkategorien zu Problemen bei der Leichenschau: „Strukturelle Probleme“, „Probleme bei der interdis- ziplinären Interaktion“, „situative Probleme“ „Probleme auf ärztlicher Seite“ und „geringe Anreize / unattraktive Tätigkeit“. Mögliche Lösungsansätze wurden in vier Hauptkatego- rien eingeteilt: „Mehr Anleitung / Fortbildung“, „Anreize schaffen“, „Prozedere vereinfa- chen“ und „Aufgabe delegieren“. Die erhobenen Daten zeigen sehr deutlich, dass im deutschen Leichenschausystem viel- gestaltige Probleme auf unterschiedlichen Ebenen existieren. Möglichst viele dieser Probleme sollten zur Verbesserung der Leichenschauqualität adressiert werden. Not- wendige strukturelle Änderungen sind eine Optimierung der Todesbescheinigung und eine Ausweitung von Fortbildungsangeboten. Interdisziplinären Problemen - auch bei der zweiten Leichenschau - könnte durch einheitliche Legaldefinitionen der Todesarten, ggf. auch durch einen Indikationskatalog für Obduktionen, vorgebeugt werden. Zudem müssten mehr Anreize für ÄrztInnen geschaffen werden, die Leichenschau sorgfältig durchzuführen. Die Erhöhung des Leichenschau-Honorars seit Januar 2020 stellt dies- bezüglich einen ersten Schritt dar. Eine erhöhte Sorgfalt bei der Leichenschau würde auch unnötige Verzögerungen von Kremationen verhindern. Das Modell der qualifizier- ten Leichenschau ist für einige Regionen Deutschlands möglicherweise ein praktikabler Lösungsansatz, flächendeckend aktuell jedoch nicht umsetzbar. Die Krematoriumslei- chenschau ist ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung. Ihr Anwendungsbereich könnte dementsprechend noch erweitert werden.In Germany external post-mortem examination has been a subject of political, scientific and media discussion for decades. Even though several attempts have been made to improve the quality of external post-mortem examination, recent studies still indicate high error rates. This problem is sometimes also referred to as ‘the misery of external postmortem examination’, for which manifold possible reasons are being discussed. It was our goal to specify reasons for this problem that are already known, to identify new prob- lems that have not been recognized so far and to derive solution strategies. Part one of the study included the retrospective analysis of 1.414 external examinations before cremation that had led to further investigations due to doubts concerning a natural death in the time span between 2016 and 2019. When the cause for inquiries had been signs of medical procedures (unmentioned in the death certificate), unexplained injuries or formal errors, the doubts could easily be resolved after getting into contact with the first post-mortem examiners. After informing investigative authorities, orders for autop- sies were rarely placed in cases with preceding accident events or violent acts and never in cases of suspected aspiration. The perspectives of the different professions involved in the processing of death cases (physicians of various disciplines, representatives of the investigative authorities) were explored by conducting a focus group study including 25 participants (part two of the study). Focus group discussions were moderated by a host with the aid of an interview guideline, recorded and transcribed in anonymized form. The transcripts were analyzed with qualitative content analysis resulting in five main problem categories: ‘Structural problems’, ‘problems of interdisciplinary interaction, ‘situational aspects’, ‘problems on the part of the physician’ as well as ‘low appeal / unattractive task’. Furthermore, four main categories of solution strategies were developed: ‘More instruction / training’, ‘pro- vide incentives’, ‘simplification of the procedure’ and ‘delegation of the task’. The data collected in our study clearly show that the German system of external postmortem examination contains manifold problems on different levels. To improve the qual- ity of this important task as many problems as possible should be approached. An opti- mization of the death certificate form as well as an increased offer of training possibilities represent necessary structural changes. Interdisciplinary conflicts – also at second post- mortem examination - might be prevented by uniform legal definitions of the death types as well as an indication catalogue for autopsies. Furthermore, incentives should be cre- ated for physicians to perform external post-mortem examination more thoroughly. The elevation of the physician’s fee surely is a step in this direction. A more thorough exam- ination would also prevent an unnecessary delay of cremations. Qualified post-mortem examinations might represent a suitable approach for some regions in Germany; how- ever, a nationwide implementation is not realistic at the moment. Second external post- mortem examinations are an important tool for quality assurance and could be extended to more cases. | |||||||
Lizenz: | Urheberrechtsschutz | |||||||
Fachbereich / Einrichtung: | Medizinische Fakultät » Institute » Institut für Rechtsmedizin | |||||||
Dokument erstellt am: | 05.07.2022 | |||||||
Dateien geändert am: | 05.07.2022 | |||||||
Promotionsantrag am: | 18.03.2022 | |||||||
Datum der Promotion: | 30.06.2022 |