Dokument: Bluthochdruck trotz Behandlung? Einfluss des sozioökonomischen Status (SES) auf den Blutdruck unter Berücksichtigung der Medikation

Titel:Bluthochdruck trotz Behandlung? Einfluss des sozioökonomischen Status (SES) auf den Blutdruck unter Berücksichtigung der Medikation
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20200204-090726-8
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor:MA Schneider, Lennard Peter [Autor]
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Dateien vom 04.02.2020 / geändert 04.02.2020
Beitragende:Prof. Dr. Dragano, Nico [Gutachter]
Prof. Dr. Supprian, Tillmann [Gutachter]
Dewey Dezimal-Klassifikation:600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit
Beschreibungen:Die arterielle Hypertonie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Erwachsenalter und stellt einen primären Risikofaktor für kardio- und zerebrovaskuläre Ereignisse dar. Die primäre Hypertonie ist mit etwa 90-95 % der Fälle die häufigste Hypertonieform und verläuft als multifaktorielle, polygene Erkrankung zunächst meist klinisch stumm. Dies verdeutlicht besonders die Notwendigkeit Betroffene einer adäquaten Therapie zuzuführen. Ein optimaler Blutdruck wird jedoch längst nicht von allen medikamentös behandelten Hypertonikern erreicht. Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass der sozioökonomische Status (SES) einen Risikofaktor für die arterielle Hypertonie darstellt. Dabei gilt: je niedriger der SES, desto höher ist die Prävalenz der Hypertonie. Unklar bleibt jedoch, ob es auch soziale Unterschiede beim Therapieerfolg von behandelten Hypertonikern gibt und welche möglichen Ursachen diesem Zusammenhang zu Grunde liegen könnten.
Um dies zu beantworten wurden Daten aus der Baseline-Untersuchung (2000-2003) der Heinz Nixdorf Recall Studie (HNR Studie) verwendet. Dabei handelt es sich um eine populationsbezogene Langzeitstudie mit 4.814 Teilnehmern im Ruhrgebiet deren Ziel es ist neue Verfahren der Risikostratifizierung der koronaren Herzkrankheit (KHK) zu untersuchen. Die relevante Analysestichprobe für diese Arbeit umfasst 1.372 (32,8 %) Probanden, die zur Baseline-Untersuchung medikamentös gegen Bluthochdruck behandelt wurden. Als Hypertonie wurden nach World Health Organization (WHO) und Leitlinie der Deutschen Hochdruckliga (DHL) Blutdruckwerte von ≥ 140 mmHg systolisch und ≥ 90 mmHg diastolisch definiert. Die standardisierte Blutdruckmessung erfolgte nach WHO- Protokoll durch geschultes Personal. Der SES wurde über die Bildung und das äquivalenzierte Haushaltsnettoeinkommen erfasst. Um den Einfluss von Risikofaktoren beurteilen zu können, wurden die bivariaten Analysen durch multivariate Regressionsmodelle ergänzt und für Alter und Geschlecht sowie bekannte Hypertonierisiken und Comorbiditäten wie beispielsweise Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Bewegungsmangel, Übergewicht und Alkoholabusus kontrolliert.
Anhand der untersuchten Daten lässt sich bezüglich des Therapieerfolges medikamentös behandelter Hypertoniker unter Berücksichtigung des SES festhalten, dass mit niedrigem SES, gemessen über Bildung oder Einkommen, das Risiko an einer arteriellen Hypertonie erkrankt zu sein steigt. Beim Versorgungsgrad nach sozialem Status zeigt sich ein inkohärentes Bild. So weisen unabhängig vom verwendeten Indikator Personen mit höherem SES seltener eine unentdeckte Hypertonie auf, jedoch wurden sie prozentual auch seltener medikamentös behandelt als dies bei Personen mit niedrigem SES der Fall war. Für die Effektivität der antihypertensiven Behandlung ergab sich ein heterogenes Bild. Im Fall der Messung des SES nur über das Einkommen zeigte sich, dass ein niedriger sozialer Status mit einer schlechteren Blutdruck-Kontrolle bei medikamentös behandelten Hypertonikern zusammen hängt. Für den über die Bildung gemessenen SES konnte dies nicht beobachtet werden. In der multivariaten Analyse konnte schließlich gezeigt werden, dass für die SES Messung über das Einkommen auch nach Kontrolle für mögliche Confounder einschließlich der Art der Medikation ein statistisch signifikanter Effekt bestehen blieb.
Die vorliegende Arbeit hat somit gezeigt, dass die Chance einer medikamentös effektiv eingestellten und somit kontrollierten Hypertonie auch nach Adjustierung für Alter, Geschlecht, Risiko- und Lebensstilfaktoren sowie Medikamentenklassen für die einkommensstärkste Gruppe höher blieb als dies in der einkommensschwächsten Gruppe der Fall war. Höhere Prävalenzen der Risikofaktoren bei niedrigem SES scheinen somit als alleiniges Erklärungsmodell des beobachteten Zusammenhangs nicht ausreichend zu sein.
Zumindest in dieser Untersuchung scheinen auch weniger Wissensunterschiede für die Benachteiligung unterer sozialer Schichten im Therapieerfolg verantwortlich zu sein als vielmehr die wirtschaftlichen bzw. finanziellen Verhältnisse. Die gesundheitliche Ungleichheit am Beispiel der arteriellen Hypertonie scheint somit kein natürliches Phänomen, sondern eng mit Deprivation und mangelnden sozioökonomischen Ressourcen verbunden zu sein. Dabei erlauben die vorliegenden Querschnittsdaten keine kausalen Aussagen. Für weiterführende Analysen sollten daher Längsschnittdaten der Follow-up-Untersuchungen betrachtet werden. Dabei gilt es neben der Identifizierung weiterer möglicher Erklärungsansätze für sozioökonomische Unterschiede, wie beispielsweise der Adhärenz, auch die Veränderung der individuellen Gesundheit im Lebensverlauf zu berücksichtigen.

Arterial hypertension is a main reason of chronic diseases in adulthood and represents a primary risk factor of cardio- and cerebrovascular events. Primary hypertension is with 90-95 % the most common form and progresses as a multifactorial and polygenic disease most likely clinically silent in the beginning. This illustrates the need for assuring an adequate treatment for patients early enough. However, an optimal blood pressure is not achieved by every hypertensive patient during medication treatment. Multiple studies have shown that socio-economic status (SES) is a risk factor for arterial hypertension. This means: the lower the SES, the higher is the prevalence of hypertension. It is uncertain whether there are social differences in the therapeutic success of treated hypertensive patients and which possible causes could be underlying.
To answer this question, data of the baseline-survey (2000-2003) of the Heinz Nixdorf Recall Study (HNR study) were used. This is a population-based longterm study with 4.814 participants in the Ruhr area in western Germany with the objective to analyse new methods of risk stratification of coronary heart disease. The sample for this work included 1.372 (32,8 %) subjects who were on medication because of hypertension during the baseline-survey. Hypertension was classified as a blood pressure of ≥ 140 mmHg systolic und ≥ 90 mmHg diastolic accrding to the guidelines of the WHO and the Deutschen Hochdruckliga (DHL). The standardized blood pressure measurement was carried out in consideration of the WHO-protocol by trained staff. The SES was recorded via education and the equivalent income per household. To assess the influence of risk factors, bivariate analyses were performed and supplemented by multivariate regression models, which were controlled for age and sex, known risk factors for hypertension and comorbidities like diabetes, hypercholesterolemia, inactivity/lack of exercise, overweight and alcohol abuse.
The data examined show that concerning the therapeutic success of medicamentous treated patients with hypertension the risk of having an arterial hypertension increases with a low SES messarued using education or income. The treatment rate depending on the SES shows inconclusive results. Independent of the used indicator, people with higher SES show less often an undetected hypertension but also they were less often under drug therapy than people with lower SES. The effectiveness of the antihypertensive therapy represents a heterogeneous image. Only in relation to income a low SES was connected to a poorer blood pressure control of pharmacologically treated patients with hypertension. Regarding education this effect could not be observed. The multivariate analysis demonstrates, that there is a statistically significant effect for the income even after controlling potential confounder including the type of medication.
This work has shown that the chance of an effective treated and controlled hypertension is higher in the high- income than in the low-income group even after adjustment for age, sex, risk and lifestyle factors. Higher prevalences of the known risk factors among people with low SES do not explain the observed relation.
At least in this study appear to be less differences in knowledge are responsible for the disadvantage in therapy effectiveness among people with low SES than economic respectively financial conditions are. Health inequality by the example of arterial hypertension appear not to be a natural phenomenon but be closely connected to deprivation and socio-economic ressources. Thereby, cross-sectional data don’t allow drawing conclusions to causal connections. Therefor longitudinal data of the follow-up-examinations should be used in further analyses. In order to find out more possible explanatory approaches for socio-economic differences, like adherence par example, and to consider the changes of individual health in the life course perspective.
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Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät » Institute » Institut für Medizinische Soziologie
Dokument erstellt am:04.02.2020
Dateien geändert am:04.02.2020
Promotionsantrag am:17.09.2019
Datum der Promotion:28.01.2020
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