Dokument: Untersuchungen zur zeitlichen Stabilität und zur Vermeidbarkeit der Wahrheitsillusion

Titel:Untersuchungen zur zeitlichen Stabilität und zur Vermeidbarkeit der Wahrheitsillusion
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20190815-091258-2
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Calio, Frank [Autor]
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Dateien vom 28.07.2019 / geändert 28.07.2019
Beitragende:Prof. Dr. Musch, Jochen [Gutachter]
Prof. Dr. Buchner, Axel [Gutachter]
Dewey Dezimal-Klassifikation:100 Philosophie und Psychologie » 150 Psychologie
Beschreibungen:Der Begriff Wahrheitsillusion beschreibt das Phänomen, dass Menschen wiederholt präsentierten Aussagen typischerweise einen höheren Wahrheitsgehalt zuschreiben als Aussagen, denen sie nicht zuvor begegnet sind. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Wahrheitsillusion unter verschiedenen Rahmenbedingungen zuverlässig auftritt und nicht nur für wahre Aussagen, sondern auch für faktisch falsche Aussagen beobachtet werden kann. Eine der zentralen Fragestellungen der vorliegenden Arbeit ist, ob die Wahrheitsillusion ein individuell stabiles Phänomen ist, ob es also Personen gibt, die zu verschiedenen Zeitpunkten konsistent anfälliger für den Einfluss der Wiederholung auf die beurteilte Glaubwürdigkeit von Aussagen sind als andere Personen. Um diese Fragestellung zu untersuchen, wurden zwei Experimente durchgeführt, in denen die Stärke der Wahrheitsillusion zu verschiedenen Testzeitpunkten erfasst und die Test-Retest-Stabilität der Wahrheitsillusion bestimmt wurde. In beiden Experimenten fiel die Test-Retest-Stabilität für drei verschiedene Operationalisierungen der Stärke der Wahrheitsillusion äußerst gering aus. Dieser Befund hat weitreichende Konsequenzen, da die Stabilität interindividueller Unterschiede eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass replizierbare Zusammenhänge zwischen der Wahrheitsillusion und bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen oder kognitiven Traits beobachtet werden können. Da Wiederholung nicht nur die beurteilte Glaubwürdigkeit wahrer Aussagen, sondern auch die Glaubwürdigkeit falscher Informationen zu steigern vermag, kann die Wahrheitsillusion nachteilige gesellschaftliche Konsequenzen haben, etwa wenn Personen wiederholt unzutreffenden Nachrichtenmeldungen oder nachweislich falschen Werbebotschaften ausgesetzt sind. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher auch mit der Frage, ob die Wahrheitsillusion durch explizite Warnungen reduziert oder sogar verhindert werden kann und welche kognitiven Prozesse dabei eine Rolle spielen. Ein gängiges Erklärungsmodell der Wahrheitsillusion geht davon aus, dass Wiederholung zu einer leichteren, „flüssigeren“ kognitiven Verarbeitung von Aussagen führt und dass das resultierende metakognitive Gefühl von Verarbeitungsflüssigkeit als Hinweisreiz zur Beurteilung der Wahrheit von Aussagen genutzt wird. Warnungen könnten die Wahrheitsillusion reduzieren, indem sie die Validität der Verarbeitungsflüssigkeit als Hinweisreiz zur Beurteilung der Wahrheit von Aussagen infrage stellen. In Übereinstimmung mit früheren Ergebnissen zeigte sich in einem dritten Experiment eine substanziell reduzierte Wahrheitsillusion für diejenige Hälfte der Versuchsteilnehmer, die über die Wahrheitsillusion aufgeklärt und vor dieser gewarnt worden war. Explizite Warnungen sowie die Aussicht auf eine finanzielle Belohnung für möglichst akkurate Wahrheitsurteile genügten jedoch nicht, um die Wahrheitsillusion vollständig zu eliminieren. Modellbasierte Analysen mithilfe multinomialer Verarbeitungsbäume zeigten darüber hinaus, dass Warnungen vor der Wahrheitsillusion zu einer deutlichen Reduktion der Wahrscheinlichkeit führten, mit der Personen die Validität von wiederholten Aussagen auf der Basis perzipierter Verarbeitungsflüssigkeit beurteilten. Explizite Warnungen wirkten sich jedoch nicht auf den Abruf von Vorwissen sowie das Rateverhalten der Versuchsteilnehmer aus. Zusammengenommen demonstrieren die Ergebnisse, dass die Wahrheitsillusion ein zuverlässig auftretendes und schwierig zu eliminierendes Phänomen ist. Verschwindend geringe Test-Retest-Korrelationen legen jedoch erstmals nahe, dass die Wahrheitsillusion entweder kein individuell stabiles Phänomen ist oder in üblichen Versuchsanordnungen nicht ausreichend reliabel gemessen wird.

The finding that people typically ascribe a higher truth value to statements that are presented repeatedly compared to statements that they have heard for the first time is known as the truth effect. Previous research has shown that the truth effect occurs under a large variety of conditions and can be observed for both true and false statements. One of the key questions of the present work is whether the truth effect is an individually stable phenomenon, i.e., whether there are people that are consistently more susceptible to the influence of repetition on judged truth at different points in time. To address this question, two experiments were conducted, each of which assessed the strength of the truth effect on two separate occasions. The test-retest stability was found to be low for three different operationalizations of the truth effect’s magnitude. This finding is of major importance for the investigation of the truth effect from an individual difference perspective, as replicable correlates between the truth effect and cognitive or personality traits can only be expected if the truth effect is stable on an individual level. Because repetition not only enhances the credibility of true statements, but also boosts the perceived validity of false statements, the truth effect may have detrimental societal consequences, for example if people are repeatedly exposed to factually false news headlines or inaccurate advertising slogans. The present work therefore presents a third experiment that aimed to reduce or even eliminate the truth effect using explicit warnings. Of particular interest was the question how warnings affect the cognitive processes that are assumed to underlie judgments of truth. A common explanation of the truth effect assumes that repetition increases the ease with which statements are processed and that people use the metacognitive experience of processing fluency as a cue for truth. Warnings may reduce the truth effect by questioning the informational value of fluency as a cue. In line with previous findings, the truth effect was substantially reduced for participants that were explicitly informed and warned about the influence of repetition on judged truth. However, explicit warnings and the prospect of a substantial financial incentive in return for accurate judgments of truth were not sufficient to completely eliminate the truth effect. Extending previous research, a model-based analysis using multinomial processing trees showed that warnings led to a marked reduction in the probability with which participants relied on processing fluency when judging a repeated statement’s truth. However, warnings did not affect the retrieval of previous knowledge or participants’ guessing behavior relative to a control condition. Taken together, the present work demonstrates that the truth effect is a robust phenomenon that is difficult to eliminate. However, surprisingly low test-retest correlations suggest that the truth effect may not be an individually stable phenomenon or cannot be measured reliably in common experimental designs.
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Fachbereich / Einrichtung:Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultät » WE Psychologie » Diagnostik und Differentielle Psychologie
Dokument erstellt am:15.08.2019
Dateien geändert am:15.08.2019
Promotionsantrag am:05.02.2019
Datum der Promotion:19.03.2019
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