Dokument: Förderung der ärztlichen Beratungskompetenz in hausärztlicher Praxis und medizinischer Lehre

Titel:Förderung der ärztlichen Beratungskompetenz in hausärztlicher Praxis und medizinischer Lehre
Weiterer Titel:Promoting the communicative competence of physicians in general practice and medical education
URL für Lesezeichen:https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=47877
URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20190108-154709-0
Kollektion:Publikationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Habilitation
Medientyp:Text
Autor:Dr. med. habil. Mortsiefer, Achim [Autor]
Dateien:
[Dateien anzeigen]Adobe PDF
[Details]4,32 MB in einer Datei
[ZIP-Datei erzeugen]
Dateien vom 22.11.2018 / geändert 22.11.2018
Stichwörter:Arzt-Patienten-Kommunikation, Versorgungsforschung, Allgemeinmedizin
Dewey Dezimal-Klassifikation:600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit
Beschreibung:Hintergrund:
Die zentrale Bedeutung des Arzt-Patientengesprächs für die Medizin ergibt sich aus der ethischen und rechtlichen Verpflichtung des Arztes, sich stets am Willen des Patienten zu orientieren sowie der daraus abgeleiteten Aufklärungs- und Einwilligungspflicht. Die Beherrschung kommunikativer Basisfertigkeiten wie „in verständlicher Sprache reden“ oder „empathisch sein“ reicht für den Arzt dabei aber nicht aus. Der Arzt benötigt zusätzlich kontextbezogene, d.h. auf die Lösung spezifischer klinischer Probleme bezogene ärztliche Gesprächstechniken, die - wie z.B. beim Einsatz sogenannter Entscheidungshilfen (engl. Decision tools) - nur zusammen mit seiner medizinischen Expertise einen Nutzen für den Patienten bringen. Für diese spezifischen kommunikativen Fähigkeiten des Arztes wird in dieser Habilitationsschrift der Ausdruck „ärztliche Beratungskompetenz“ verwendet.
Das Ziel der in dieser kumulativen Habilitationsschrift zusammengefassten Studien ist 1) die Erforschung der Grundlagen und Bedingungen für die Förderung der ärztlichen Beratungskompetenz sowie 2) die Erprobung neuer Konzepte für die Förderung der ärztlichen Beratungskompetenz in hausärztlicher Praxis und medizinischer Lehre

Methoden:
Die hier zusammengefasst Studien umfassen empirische Arbeiten in den drei Themenfeldern A) Kardiovaskuläre Prävention, B) hausärztliche Versorgung von Patienten mit Mulitmorbidität und C) Medizinischer Lehre. Zur Bedarfsanalyse wurden Surveys, Querschnittserhebungen und eine qualitative Interviewstudie durchgeführt. Die Überprüfung neuer Konzepte in der hausärztlichen Praxis erfolgte jeweils durch eine cluster-randomisierte Interventionsstudie in den Bereichen kardiovaskuläre Prävention und Multimorbidität. Die Evaluation einer in der medizinischen Lehre eingeführten OSCE-Prüfung wurde durch psychometrische Analysen überprüft.

Ergebnisse:
Themenfeld A): Die europäische Fragebogenstudie EUROPREVIEW (P1) ergab, dass hausärztliche Patienten in Deutschland weniger an einer Beratung durch ihren Hausarzt zu gesundheitsbezogenen Lebensstilfaktoren wie z.B. Rauchen, Bewegung, Alkoholkonsum interessiert sind als in anderen Ländern. Die Bedarfsanalyse zur hausärztlichen Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren, welche auf dem Boden einer Querschnittsstudie im CRISTOPH-Projekt erstellt wurde (P2, P3), zeigt, dass in der Praxis offenbar nicht immer die geeigneten Patienten als Zielpersonen für die Beratung zu und die Verbesserung von kardiovaskulären Risikofaktoren wie Blutdruck oder Cholesterin ausgewählt werden. Die Anwendung eines individuellen Assessments z.B. mit dem SCORE-Risikorechner zur Ermittlung des globalen kardiovaskulären Risikos (CVR) bildet die Voraussetzung für eine bedarfsgerechte hausärztliche Beratung (P4, P5). In der cluster-randomisierten Interventionsstudie CRISTOPH (P5) wurden Hausärzte in der Anwendung des CVR-Risikorechners SCORE geschult und die Effekte auf das Risikoprofil ihrer Patienten untersucht. Der ausgebliebene Interventionseffekt zeigt an, dass unsere „Peer-Intervention“ nicht ausgereicht hat, um das tief verwurzelte Paradigma der Betrachtung von kardiovaskulären Einzelfaktoren durch die leitliniengerechte Berücksichtigung des kardiovaskulären Gesamtrisikos (CVR) abzulösen.
Themenfeld B):. In einer Querschnittsuntersuchung aus dem Projekt MultiCare AGENDA (P6) konnte eine hohe Zufriedenheit von multimorbiden Patienten mit der hausärztlichen Versorgung festgestellt werden. Die Analyse und Diskussion der Studienergebnisse zeigte jedoch, dass die Patientenzufriedenheit zwar ein notwendiges, jedoch kein hinreichendes Maß für die Abschätzung der Qualität einer medizinischen Behandlung darstellt. Die Effekte der Einführung narrativer Medizin in die hausärztliche Beratung und Behandlung multimorbider Patienten wurden in der cluster-randomisierte Studie MultiCare AGENDA (P7) untersucht. Die Intensivierung des Arzt-Patienten-Gesprächs resultierte entgegen der Studienhypothese nicht in einer Reduktion von Polypharmazie, sondern führte zu einer Erhöhung der Verordnung mit Schmerzmitteln bei gleichbleibender Anzahl eingenommener Wirkstoffe.
Themenfeld C): Das Curriculum des Medizinstudiums orientiert sich heute nicht mehr allein an der Vermittlung theoretischen Wissens, sondern soll auch die Erlangung praktischer klinischer und kommunikativer Kompetenzen ermöglichen. Unsere qualitative Studie im CoMeD-Projekt (P9) zeigte, dass die befragten Medizinstudierenden sich sehr unsicher im Arzt-Patienten-Gespräch fühlen, was vor allem mit fehlender praktischer Erfahrung und dem Anspruch der Kontrolle der eigenen Gefühle und des Gesprächsverlaufs zusammenhängt. Im Rahmen des Lehrforschungsprojekts CoMeD wurde ein Trainingsprogramm zur Vermittlung kommunikativer Kompetenzen sowie eine OSCE-Prüfung in das 4. Studienjahr eingeführt (P8, P9). Neben einer guten Akzeptanz der CoMeD-Kurse durch die Studierenden konnte im CoMeD-OSCE eine befriedigende bis gute Prüfungsqualität erzielt werden. Wie auch in den oben beschriebenen Interventionsstudien zeigte sich bei der Interpretation der OSCE-Ergebnisse, dass in der Realität viele unterschiedliche Einflussfaktoren die Prüfungsqualität beeinflusst haben. In einer zusätzlichen Analyse zu dem Einfluss von Prüfer-Merkmalen auf die Interrater-Reliabilität (P10, P11) stellten wir fest, dass entgegen der Literatur zum globalen Bewertungsinstrument BGR die als essenziell bezeichnete vorgehende Schulung der Prüfer keinen wesentlichen Einfluss hatte.

Diskussion:
In der Zusammenschau der Studien aus allen drei Anwendungsfeldern lässt sich feststellen, dass die Förderung der ärztlichen Beratungskompetenz zunächst stets eine sorgfältige Analyse des tatsächlichen Bedarfs der ärztlichen Zielgruppe in medizinischer Aus-, Weiter- oder Fortbildung sowie eine sorgfältige Analyse der Sichtweise der Patienten umfassen sollte. Diese Ergebnisse sollten in die Planung von Interventionen in Versorgungsforschung und Lehrforschung einfließen, um zu verhindern, dass Aufwand und Ressourcen am Bedarf vorbei eingesetzt werden.
Wie sich außerdem in unseren Studien gezeigt hat, besteht ein besonderer Entwicklungsbedarf hinsichtlich zielgruppenorientierter (zumeist patientenbezogener) Qualitätsindikatoren für die Überprüfung des Nutzens von Interventionen. Beim Design cluster-randomisierter Interventionsstudien sollte weiterhin berücksichtigt werden, das komplexe Interventionen auch stets komplexe Wirkungen in der Realität zeigen. Die alleinige Fokussierung auf einen primären Endpunkt könnte den Erkenntnisgewinn schmälern, wenn nicht weitere Ergebnisdimensionen in qualitativen und quantitativen Erhebungen abgebildet werden.

Als Ausblick lässt sich konstatieren, dass die Förderung der ärztlichen Beratungskompetenz wesentlich auf ein besseres Verständnis darüber angewiesen ist, welche intrinsischen und extrinsischen Faktoren den Kommunikations- und Behandlungsstil von angehenden oder bereits praktizierenden Ärzten tatsächlich beeinflussen, um davon ausgehend bessere Modelle für Veränderungen im Hinblick auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität zu entwickeln.
Lizenz:In Copyright
Urheberrechtsschutz
Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät » Institute » Abteilung für Allgemeinmedizin
Dokument erstellt am:08.01.2019
Dateien geändert am:08.01.2019
english
Benutzer
Status: Gast
Aktionen