Dokument: Angst und Depressivität im Rahmen von Mitralklappenoperationen

Titel:Angst und Depressivität im Rahmen von Mitralklappenoperationen
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20170523-083106-2
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Botzet, Katrin [Autor]
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Dateien vom 17.05.2017 / geändert 17.05.2017
Beitragende:Prof. Dr. Korbmacher, Bernhard [Gutachter]
Prof. Dr. Franz, Matthias [Gutachter]
Dewey Dezimal-Klassifikation:600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit
Beschreibung:Eine Herzklappenoperation kann mit einer Letalität von bis zu 5% als potentiell lebensbedrohliches Ereignis vom Patienten wahrgenommen werden und sogar posttraumatische Belastungsstörungen hervorrufen. Wartezeit, Schmerz, Intensivstationsaufenthalt und die physiologische Belastung der Operation führen gemäß der Stressreaktionen nach Selye über eine Alarmreaktion zu Anpassungsphasen, die entsprechend der Bewältigungskapazitäten des Patienten und entsprechend der Intensität der Stressoren in einer Phase der Erholung oder aber in einer Phase der Depression enden. Neben Angst, chronischem Stress und Depressivität nehmen Alter, Geschlecht und psychosoziale Faktoren Einfluss auf Genesung und Lebensqualität. Neben erstens den in der Literatur diskutierten Verknüpfungen zwischen KHK, Depressivität und Angst, zweitens Patientenberichten von langfristig nach Bypass-Operationen teils unzufriedenstellenden Lebensqualitäten gab drittens eine frühere Untersuchung an KHK-Patienten, die eine Bypass-Operation erhalten haben und, die postoperativ ansteigende Depressivitätsprävalenzen ergab, den Anlass zur Durchführung der folgenden, prospektiven Studie:
Zwischen Mai 2011 und Dezember 2013 wurden 117 Patienten konsekutiv interviewt, die eine Mitralklappenoperation, jedoch keine KHK-Diagnose erhalten haben. Erhoben wurden Angst und Depressivitätwerte mittels des HADS (Hospital Anxiety and Depression Scale), jeweils 1-2 Tage präoperativ (t1), 6-8 Tage frühpostoperativ (t2) und postalisch 6 Monate spätpostoperativ (t3) zur Eruierung der Angst und Depressivitätsentwicklung im Rahmen einer Herzoperation, im Vergleich zu KHK Patienten. Zur Erhebung möglicher Einflussfaktoren auf Angst und Depressivität (wie Luftnot, Komplikationen) wurden zudem patientenbezogene Daten erhoben sowie der "FLZ-Fragebogen zur Lebenszufriedenheit" (t1 und t3) genutzt.
100 Patienten (47m, 53w) zwischen 22 und 87 Jahren mit einem mittleren Alter von 65 Jahren (64,6 ± 14,2; x ± SD) nahmen als Gesamtkollektiv zu allen drei Messzeitpunkten vollständig an der HADS-Befragung teil. Siebzehn weitere Patienten wiesen unvollständige Werte auf. Innerhalb des Befragungszeitraums jeweils 6 Monate postoperativ verstarben drei dieser 17 Patienten.
Die Mitralispatienten dieser Untersuchung zeigten mit individuellen Ausnahmen 6 Monate nach der Operation erwartungsgemäß normalisierte Angst- und Depressivitätswerte. Die Angst- und -grenzwertig- auch die Depressivitätsprävalenzen sind spätpostoperativ auf dem Niveau von Kollektiven im nichtmedizinischen Kontext. Die Studienkohorte der Mitralispatienten unterscheidet sich damit vom Patientenkollektiv der KHK-Studie, die höhere Angstprävalenzen und höhere Depressivitätsprävalenzen mit ansteigendem Verlauf bei an KHK erkrankten Patienten ergab. χ²-Tests zeigten signifikante Zusammenhänge zwischen dem spätpostoperativen Auftreten sowohl von erhöhten Angst- als auch erhöhten Depressivitätswerten und dem Vorliegen von KHK.
In der spätpostoperativen Situation bestehen Zusammenhänge zwischen den Angst-, Depressivitätswerten und der subjektiv empfundenen Luftnot. In der perioperativen Situation scheinen andere Faktoren in ihrem Einfluss auf die Angst- und Depressivitätswerte zu dominieren.
Zu diesen Einflussfaktoren zählen insbesondere das Geschlecht sowie das Alter und die gesundheitsbezogene Lebenszufriedenheit. Jüngere Patienten zeigten präoperativ mehr Angst als Ältere. Frauen zeigten präoperativ mehr Angst als Männer. Frühpostoperativ wiesen mehr Frauen (28,3%) erhöhte Depressivitätswerte auf als Männer (10,6%).
Angst und Depressivität korrelierten signifikant zu allen drei Messpunkten. Präoperative Angst, und mit stärkerer Gewichtung Depressivität, erwiesen sich als signifikante Prädiktoren für postoperative Depression.
In Zusammenhang mit der perioperativen Depressivität steht außerdem die Lebenszufriedenheit bezogen auf die Beziehung zu eigenen Kindern sowie die Lebenszufriedenheit in Bezug auf die eigene Person und Sexualität. Gesundheitsbezogene Lebenszufriedenheit korrelierte negativ prä- und spätpostoperativ sowohl mit Angst als auch mit Depressivität signifikant. Die allgemeine Lebenszufriedenheit blieb statistisch betrachtet auf gleichbleibendem Niveau. Die Ergebnisse des FLZ unterliegen durch den relativ konzentrationsaufwendigen Fragebogen allerdings einem Selektionsbias mit nur 39 Patienten mit vollständiger Teilnahme und sind deshalb nicht repräsentativ für das Gesamtkollektiv.
Patienten mit Komplikationen haben ein höheres Risiko für das Auftreten von erhöhten Angstwerten frühpostoperativ im Vergleich zu Patienten ohne Komplikationen. Hinsichtlich Depressivität scheint das Auftreten von Komplikationen in dieser Studie keinen plausiblen Einfluss zu haben.
In der Studienkohorte gab es einige Patienten mit extrem hohen Angst- und Depressivitätswerten, die sich teilweise auch spätpostoperativ nicht normalisierten oder sogar erst postoperativ vorlagen. Zu diesen zählen auch einige der nicht in der Statistik enthaltenen Werte von Patienten mit unvollständiger Teilnahme. Dazu gehören zwei der drei verstorbenen Patienten, auch multimorbide Patienten mit schwerwiegenden, komplizierten Krankheitsverläufen und langen Intensivstationsaufenthalten, teils bereits präoperativ.
Die statistischen Ergebnisse gelten somit nur für Patienten, die zu allen drei Messzeitpunkten in der Lage waren an der moderat aufwendigen HADS-Befragung teilzunehmen. Die Ergebnisse der Mitralispatienten dieser Studie sind insofern nur eingeschränkt vergleichbar mit den Ergebnissen anderer Studien mit HADS-Befragung und Normstichproben allgemein, als dass – wie bei prospektiven Studien üblich – keine Experimentbedingungen vorlagen. Die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Mitralispatienten dieser Studie ist aber zumindest hinsichtlich des Vergleichs mit der vorangegangenen Studie an KHK-Patienten dadurch relativiert, dass beide Studien sehr ähnliche Rahmenbedingungen aufwiesen.
Die Studienergebnisse zeigen, dass ein präoperativ hohes Angst-und Depressivitätsniveau sowie das Vorliegen einer Koronaren Herzerkrankung mit einem erhöhten Risiko für postoperative Depressivität einhergehen. Die Herzklappenoperation erfordert Bewältigungskompetenzen des Patienten, die entsprechend der jeweiligen Resilienz von einer Vielzahl von weiteren, individuellen Faktoren abhängen. Bei der Indikationsstellung der Operation muss die psychische Anforderung an den Patienten bedacht werden. Durch Screeningmaßnahmen sollten Patienten mit erhöhtem Angst- und Depressivitätsniveau möglichst frühzeitig im Rahmen der kardiologischen Betreuung erkannt werden, um geeignete Diagnostik und Unterstützung durch psychosomatisches Fachpersonal zu ermöglichen und, um somit letztlich den patientenempfundenen Operationserfolg zu sichern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Lizenz:In Copyright
Urheberrechtsschutz
Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät
Dokument erstellt am:23.05.2017
Dateien geändert am:23.05.2017
Promotionsantrag am:30.09.2016
Datum der Promotion:16.05.2017
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