Dokument:
Die Zweiteilung im Vergabewesen -
Ein Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen?
Titel: | Die Zweiteilung im Vergabewesen - Ein Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen? | |||||||
URL für Lesezeichen: | https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=2853 | |||||||
URN (NBN): | urn:nbn:de:hbz:061-20040625-000853-0 | |||||||
Kollektion: | Dissertationen | |||||||
Sprache: | Deutsch | |||||||
Dokumententyp: | Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation | |||||||
Medientyp: | Text | |||||||
Autor: | Grundmann, Nicola Juliane [Autor] | |||||||
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Beitragende: | Prof. Dr. Dietlein, Johannes [Gutachter] Prof. Dr. Michael, Lothar [Gutachter] | |||||||
Stichwörter: | Schwellenwerte, Zweiklassensystem, Aufträge, subjektive Rechtspositionen, Rechtsschutz, Grundrecht, öffentliche Auftraggeber, Auftragnehmer | |||||||
Dewey Dezimal-Klassifikation: | 300 Sozialwissenschaften, Soziologie » 340 Recht | |||||||
Beschreibung: | Schwerpunkt der Bearbeitung ist die auf Bundesebene geltende Schwellenwertregelung, welche ein Zweiklassensystem für Aufträge bis und ab dem Erreichen der gem. §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. § 2 VgV festgesetzten Schwellenwerte schafft. Das Erreichen der Auftragswerte eröffnet den Bietern unter Bereitstellung subjektiver Rechtspositionen ein kodifiziertes Verfahrens- und Rechtsschutzsystem. Unter den Schwellenwerten liegenden Vergaben mangelt es an einer Ausgestaltung des Verfahrens sowie an vergabespezifischen subjektiven Rechtspositionen der Wettbewerber, was den Verzicht auf ein förmliches Rechtsschutzverfahren zur Folge hat. Die Bearbeitung kommt im Einzelnen zu folgenden Ergebnissen: Dem deutschen Gesetzgeber ist es auch im Rahmen des dritten Versuchs der Umsetzung der europäischen Vergaberichtlinien nicht gelungen, das nationale Vergaberecht an die verfassungsrechtlichen Mindeststandards anzupassen. Dies liegt nicht zuletzt an dessen wiederholter und äußerst beharrlicher Weigerung, subjektive Rechtspositionen der Bieter sowie ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten für ebendiese zu normieren. Indem sich im Rahmen des jüngsten Umsetzungsversuchs der Vergaberichtlinien das Interesse der Legislative darauf beschränkt hat, den europäischen Vorgaben gerecht zu werden, wurde dem sich aus dem Grundgesetz ergebenden Regelungsauftrag leider nur ungenügende Beachtung geschenkt. Die durch die Schwellenwertregelung hervorgerufene nationale Rechtslage ist verfassungswidrig. Sie führt zu einer unangemessenen Ungleichbehandlung von Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte in Vergleich zu solchen, die die vorgeschriebenen Auftragswerte nicht erreichen und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Den öffentlichen Auftraggeber trifft jedoch sowohl oberhalb als auch unterhalb der Schwellenwerte die Pflicht zur Vermeidung von Inländerdiskriminierungen, so dass diesbezüglich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ausscheidet. Dagegen ist das zweigeteilte Vergaberecht mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar, solange nicht auch im Unterschwellenbereich umfassende und effektive Rechtsschutzmöglichkeiten geschaffen werden. Darüber hinausgehend erfordert das verfassungsrechtliche Subjektivierungsgebot den Erlass damit korrespondierender, vergabespezifischer subjektiver Rechtspositionen. Gerechtfertigt sind allerdings regelmäßig Eingriffe des öffentlichen Auftraggebers in das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG als Folge einer rechtmäßigen Zuschlagserteilung. Außerhalb der Grundrechte verpflichten Rechtsstaats- und Demokratieprinzip den Gesetzgeber zu einer Normierung des Unterschwellenbereichs. Die Verordnungsermächtigung der §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB genügt den Anforderungen des in Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgebots auch dann, wenn sie der Bundesregierung die Festsetzung der Schwellenwerte überträgt, da letztere bereits eine höhenmäßige Begrenzung in den europäischen Vergaberichtlinien erfahren. An einer hinreichenden Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung mangelt es jedoch hinsichtlich des vor der Ausschreibung durchzuführenden Schätzungsvorgangs, dem eine gesetzliche Einschränkung zuteil werden muss, um Missbräuchen entgegenzuwirken. Die Verfassungsmäßigkeit der Schwellenwertregelung kann auch nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung erreicht werden. Dem Wortlaut des § 100 Abs. 1 GWB fehlt es vielmehr an unbestimmten Rechtsbegriffen, welche eine Auslegung der Norm zulassen würden. Parallelen zu sonstigen im deutschen Recht existierenden betragsmäßigen Begrenzungen vermögen ebenfalls nicht zu einer Lösung zu verhelfen. Es obliegt daher dem Gesetzgeber, auch den Bereich unterhalb der Schwellenwerte hinsichtlich des Vergabeverfahrens, der subjektiven Bieterrechte sowie des Rechtsschutzverfahrens nach außen verbindlich zu normieren. Dabei steht es ihm frei, solche Ausschreibungsverfahren, die aufgrund ihres geringen Auftragsvolumens lediglich als Bagatellen einzustufen sind, den formellen und materiellen Vergabevorschriften durch die Festsetzung von de minimis - Schwellen zu entziehen. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, den öffentlichen Auftraggeber im Wege einer stufenweisen Schwellenwertfestsetzung nach unten hin immer weniger an die materiellen Vergabegrundsätze zu binden. Kommt die Legislative ihrem Regelungsauftrag nicht nach, besteht die Gefahr, dass eines Tages das Bundesverfassungsgericht die aus der Schwellenwertregelung resultierende Rechtslage für verfassungswidrig erklärt und der Gesetzgeber durch dieses dazu aufgefordert wird, das Vergaberecht entsprechend anzupassen. Um den Weg zum Bundesverfassungsgericht zu öffnen, müsste ein Bieter im Rahmen eines Vergabeverfahrens unterhalb der Schwellenwerte zunächst die Vergabekammer angerufen und die durch diese erteilte Abweisung des Nachprüfungsantrags im Beschwerdeverfahren angegriffen haben. Möglich wäre die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts sodann durch eine konkrete Normenkontrolle i.S.d. Art. 100 Abs. 1 GG oder eine Normenverfassungsbeschwerde. Auch wenn ein solcher Vorgang aktuell sehr unwahrscheinlich erscheint, kann er gerade im Hinblick auf das Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs nicht ausgeschlossen werden. Der abschließend entwickelte Lösungsansatz schlägt unter Beibehaltung der in den Vergaberichtlinien festgesetzten Schwellenwerte vor, das Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich bis hin zu etwaigen de minimis - Schwellen den entsprechenden Regelungen in den Verdingungsordnungen nachzuempfinden. In Anlehnung an die §§ 97 ff. GWB sollten subjektive Rechtspositionen und Rechtsschutzmöglichkeiten geschaffen werden. Bezüglich der Überprüfung von Vergabeverfahren wird der Einfachheit halber ein ebenfalls zweistufiges Nachprüfungsverfahren empfohlen, welches aus einer behördlichen Überprüfungsinstanz vor der Vergabekammer und einer darauf folgenden gerichtliche Überprüfung seitens der bei den Oberlandesgerichten gebildeten Vergabesenate bestehen soll. Mithin sollte jedoch zugunsten von Verfahrens- und Rechtsschutzvereinfachungen von den bisherigen gesetzlichen Vorschriften abgewichen werden. | |||||||
Lizenz: | Urheberrechtsschutz | |||||||
Fachbereich / Einrichtung: | Juristische Fakultät | |||||||
Dokument erstellt am: | 25.06.2004 | |||||||
Dateien geändert am: | 12.02.2007 | |||||||
Promotionsantrag am: | 17.06.2004 | |||||||
Datum der Promotion: | 17.06.2004 |