Dokument: Prognostische und pathophysiologische Faktoren der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung

Titel:Prognostische und pathophysiologische Faktoren der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung
URL für Lesezeichen:https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=2754
URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20040209-000754-3
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Habilitation
Medientyp:Text
Autor:PD Dr. Wagenmann, Martin [Autor]
Dateien:
[Dateien anzeigen]Adobe PDF
[Details]2,64 MB in einer Datei
[ZIP-Datei erzeugen]
Dateien vom 09.02.2007 / geändert 09.02.2007
Beitragende:Prof. Dr. Ganzer, Uwe [Gutachter]
Prof. Dr. Dr. h.c. Ruzicka, Thomas [Gutachter]
Prof. Dr. Röher, Hans-Dietrich [Gutachter]
Stichwörter:Chronische Sinusitis, Polyposis nasi, Allergische Rhinitis, Allergie, Zytokine, Histamin, Nasennebenhöhlenoperation, Prognosefaktoren, Nasale Allergenprovokation, SpätphasenreaktionChronic Sinusitis, Nasal Polyposis, Allergic Rhinitis, Allergy, Cytokines, Histamine, Sinus Surgery, Prognostic factors, Nasal Allergen Challenge, Late Phase Reaction
Dewey Dezimal-Klassifikation:600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit
Beschreibung:Die chronische Sinusitis ist mit einer Prävalenz von 14% eine der häufigsten Erkrankungen des Menschen und geht mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einher. Ihre in der Regel chirurgische Therapie führt trotz erheblicher Verbesserungen der operativen Techniken bei wenigstens einem Fünftel der Patienten zu keiner Besserung.
Im ersten Teil dieser Arbeit wurden anhand einer retrospektiven klinischen Studie mit 291 Patienten, die 70 Monate nach der Operation nachuntersucht wurden sowie einer prospektiven Studie mit 101 Patienten, deren klinischer Verlauf über
12 Monate detailliert verfolgt wurde, die Ergebnisse der funktionellen endoskopischen Nebenhöhlenchirurgie untersucht und Risikofaktoren für ein schlechtes Ergebnis identifiziert.
Der Erfolg der funktionellen endonasalen Nebenhöhlenoperationen kann nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt werden. Anhand der subjektiven Einschätzung der Patienten lag der Behandlungserfolg in unserer retrospektiven Studie 5 Jahre nach der Operation bei 66% und in der prospektiven Studie 1 Jahr postoperativ bei 84%. Unsere Erfolgsraten liegen damit im Vergleich zur Literatur ? dort werden Heilungen von 80% angegeben - relativ niedrig, was am ehesten durch methodische Unterschiede im Studiendesign zu erklären ist. Wird die tatsächliche Änderung der Symptomscores als Maßstab für die subjektiven Beschwerden zu Grunde gelegt, was nur durch den Vergleich der präoperativen Angaben mit den nach der Operation ermittelten Beschwerden in prospektiven Studien möglich ist, sinkt die Rate der Besserung in unserer prospektiven Studie auf knapp 70%. Als einerseits am besten vergleichbare, aber andererseits auch relativ grobe Methode kann die Notwendigkeit einer erneuten Operation zur Beurteilung des Therapieerfolgs angewandt werden. Mit Erfolgsraten von 87% in der retrospektiven und 97% in der prospektiven Studie ergaben sich diesbezüglich in unseren Untersuchungen auch im Vergleich zur Literatur sehr gute Ergebnisse.
Nebenhöhlenoperationen sind aufgrund der anatomischen Verhältnisse komplikationsträchtige Eingriffe. In unseren Untersuchungen traten bei etwa 10% der Operationen Komplikationen auf, von denen jedoch weniger als 1,3% als ernsthaft anzusehen waren. Diese Werte sind international üblich.
Aus unseren Studien ergeben sich eine Reihe von klinischen Risiken, die das Ergebnis der Nebenhöhlenoperation negativ beeinflussen. Hierzu zählen Allergien, Asthma bronchiale, Aspirin-Sensitivität, Polyposis nasi, vorangegangene NNH-Operationen sowie präoperative CT-Scores als Maß für die Schwere der Sinusitis. Von ihnen lässt sich einzig die Allergie therapeutisch beeinflussen. Patienten mit den genannten Risikofaktoren sollten einerseits bereits präoperativ entsprechend beraten und andererseits postoperativ intensiv betreut werden.
Das häufigste Symptom der chronischen Sinusitis, die Nasenatmungsbehinderung, bessert sich nach einer Nebenhöhlenoperation am zuverlässigsten. Auch die Reduktion des Riechvermögens sowie - wenn auch in geringerem Maße - Kopfschmerzen ließen sich durch die Operation günstig beeinflussen. Keine wesentlichen Änderungen ergaben sich für gehäuftes Husten und Niesen. Den geringsten Einfluss hatte die chirurgische Behandlung auf die gesteigerte retronasale Sekretion, die postoperativ sogar häufiger als vor der Operation beklagt wurde. Die Befunde der Riechprüfungen und der Rhinomanometrie zeigten einen günstigen Einfluss der operativen Therapie auf diese Parameter.
Die systematische postoperative Endoskopie zeigte nach einigen Monaten oft Rezidivpolypen, verschlossene Zugänge in die Nasennebenhöhlen oder Synechien zwischen der mittleren Nasenmuschel und der lateralen Nasenwand. Die Ursache für diese, im Vergleich zur Literatur relativ ungünstigen Ergebnisse, liegt am ehesten in der systematischen und sehr differenzierten Erfassung dieser Veränderungen in unserer prospektiven Studie, weist aber auch darauf hin, dass die Ergebnisse der funktionellen Nebenhöhlenchirurgie oft zu positiv dargestellt werden. Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen konnten wir signifikante Korrelationen zwischen den objektiven Befunden und den Symptomen der Patienten nachweisen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer engmaschigen endoskopischen Kontrolle im Anschluss an die Operation, um dem Fortschreiten pathologischer Veränderungen durch entsprechende medikamentöse oder operative Maßnahmen entgegenwirken zu können.
Die Untersuchung der Risikofaktoren in den klinischen Studien ergab deutliche Hinweise auf intrinsische Faktoren, die den Verlauf der chronischen Sinusitis beeinflussen. Um zu untersuchen, ob sich aus deren Charakteristika zusätzliche Rückschlüsse auf die Entstehung und die Progredienz der chronischen Sinusitis ergeben, haben wir in umfangreichen experimentellen Untersuchungen die pathophysiologischen Grundlagen der allergischen, aber auch der nicht-allergischen, entzündlichen Schleimhautreaktion der Nase und der Nebenhöhlen untersucht. Da sich die allergische Sensibilisierung als einer der wesentlichen Risikofaktoren herausstellte, führten wir nasale Allergenprovokationen mit der Disc-Methode durch und analysierten den zeitlichen Verlauf der Zytokin- und Mediatorproduktion. In der Spätphase der allergischen Reaktion kam es zu einem signifikanten Anstieg der Zytokine IL-1b, IL-8 und IL-4 sowie von Histamin im Nasensekret. Die Produktion der Zytokine spielt eine wichtige Rolle für den Einstrom von Entzündungszellen in die Nasenschleimhaut, die lokale Aktivierung dieser Zellen und die Induktion der IgE-Synthese. Die Disc-Methode ermöglichte es zusätzlich, den Einfluss einer einseitigen nasalen Provokation auf die Gegenseite, die keinen Allergenkontakt hatte, zu untersuchen. Dort zeigten sich signifikante Änderungen physiologischer Parameter und eine Ausschüttung von Mediatoren und Zytokinen, die auf das Auftreten einer neurogenen Entzündung hinweisen. Dieser Mechanismus spielt auch für die Induktion entzündlicher Veränderungen in den Nasennebenhöhlen bei einer zunächst auf die Nasenschleimhaut beschränkten Allergie eine wichtige Rolle.
Neuere Daten legen eine zentrale Bedeutung der Balance zwischen der Synthese von Th1- und Th2-Zytokinen bei allergischen Erkrankungen nahe. Th2-Zytokine wie IL-4 und IL-5 sollen bei Allergien überwiegen, während Th1-Zytokine wie IFN-g besonders bei zellulären Immunreaktionen, z.B. der Tuberkulinreaktion, zu finden sind. Da diese Zytokine in der Nase bislang auf der Proteinebene nur vereinzelt nachweisbar waren, wandten wir erstmals ELISPOT-Assays zur Untersuchung dieser Proteine in der Nasenschleimhaut an. Damit war es möglich die Produktion von IL-4 und IL-5, aber auch von IFN-g und IL-12 bei natürlicher Allergenexposition in der Saison nachzuweisen. Unsere Studien ergaben zwar ein Überwiegen der Synthese von Th2-Zytokinen, es war aber auch die Produktion der Th1-Zytokine signifikant erhöht. Dieser Befund spricht für die Chronizität der Erkrankung und zeigt, dass diese Zytokine in-vivo trotz einander antagonisierender Effekte gleichzeitig freigesetzt werden.
Ein charakteristisches histologisches Merkmal der chronischen Sinusitis ist die Gewebseosinophilie, die bei Polyposis nasi besonders ausgeprägt ist. In Studien an Homogenisaten aus Nasenpolypen fanden wir eine stark erhöhte Konzentration von IL-5, das in der Lage ist, eosinophile Granulozyten zu aktivieren, ihr Überleben in der Schleimhaut zu verlängern und ihren Einstrom in das Gewebe zu begünstigen. Immunhistochemische Analysen weisen zudem darauf hin, dass Eosinophile selber IL-5 produzieren, wodurch ein selbstverstärkender autokriner Mechanismus auftreten könnte. Analog zur allergischen Rhinitis nutzten wir hochsensitive ELISPOT-Assays zur Untersuchung der Zytokinproduktion bei der chronischen Sinusitis mit Polypen. Es zeigte sich eine stark vermehrte Zahl von Zellen, die Th1- und Th2-Zytokine sowie IgE synthetisierten. Auch die Polyposis nasi kann daher nicht als Th2-dominierte Entzündung verstanden werden, sondern geht mit einer synchronen Produktion beider
Th-Zytokinmuster einher.
Desweiteren demonstrierten wir einen Zusammenhang zwischen der Produktion von Zytokinen in der Nebenhöhlenschleimhaut und den klinischen Parametern der chronischen Sinusitis. Die erhöhte Produktion von IL-4, IL-5, IFN-g, IL-12 sowie IgE korrelierte mit objektiven klinischen Befunden zum Zeitpunkt der Operation, und zwar den CT-Scores und dem Vorhandensein sowie der Größe von Polypen. Zusätzlich ergab sich auch ein Einfluss der Zytokinproduktion im Operationsmaterial auf den postoperativen Verlauf der Sinusitis, da eine präoperativ gesteigerte Zytokinproduktion mit einem schlechteren Ergebnis 15 Monate nach der Operation assoziiert war.
Klinische und immunologische Parameter weisen damit auf die zentrale Rolle der Entzündungsreaktion in der Schleimhaut für den Verlauf der chronischen Sinusitis hin. Das gemischte Zytokinspektrum stellt den Erfolg neuer Behandlungsstrategien, die auf die Antagonisierung einzelner Zytokine abzielen, in Frage. Unter den klinischen Risikofaktoren für ein schlechteres Operationsergebnis ist bisher nur die allergische Sensibilisierung therapeutisch zu beeinflussen. Der intensiven präoperativen Diagnostik und differenzierten Beratung der Patienten, sowie einer konsequenten konservativen Therapie kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
Lizenz:In Copyright
Urheberrechtsschutz
Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät
Dokument erstellt am:09.02.2004
Dateien geändert am:12.02.2007
Promotionsantrag am:16.01.2003
Datum der Promotion:16.01.2003
english
Benutzer
Status: Gast
Aktionen