Dokument: Klinisch-experimentelle Untersuchungen zur renalen Glukoseausscheidung und -rückresorption als Funktionen der Blutglukosekonzentration bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2: Eine Kritik am Konzept der "Nierenschwelle"
Titel: | Klinisch-experimentelle Untersuchungen zur renalen Glukoseausscheidung und -rückresorption als Funktionen der Blutglukosekonzentration bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2: Eine Kritik am Konzept der "Nierenschwelle" | |||||||
URL für Lesezeichen: | https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=12133 | |||||||
URN (NBN): | urn:nbn:de:hbz:061-20090721-091706-6 | |||||||
Kollektion: | Dissertationen | |||||||
Sprache: | Deutsch | |||||||
Dokumententyp: | Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation | |||||||
Medientyp: | Text | |||||||
Autor: | Wolf, Stefan [Autor] | |||||||
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Beitragende: | Prof. Dr. Heinemann, Lutz [Gutachter] Prof.Dr. Rump, L. Christian [Gutachter] | |||||||
Stichwörter: | Glukoseausscheidung, Glukoserückresorption, Glukose-Clamp, Uringlukose, Harnglukose, Basale Glukosurie, Nierenschwelle, Tubuläres Transportmaximum, TmG, splay | |||||||
Dewey Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit | |||||||
Beschreibung: | Hintergründe, Fragestellung und Zielsetzung:
Gängige Vorstellungen über die Physiologie der renalen Glukosekonservierung beim Menschen basieren auf der TmG-Hypothese (tubuläres Transportmaximum für Glukose) mit ihrem zentralen Modell einer "Nierenschwelle" für Glukose. Deren definitionsgemäßes Postulat eines "unterschwellig" glukosefreien Urins ist jedoch angesichts des Phänomens der basalen Glukosurie (Glukose im Harn des gesunden Menschen bei Euglykämie) fragwürdig. Ferner wurde in bisherigen Studien zur Erforschung dieser „Nierenschwelle“ für Glukose überwiegend die Uringlukose nicht exakt quantitativ bestimmt und die Blutglukosekonzentration (BGK) nicht ausreichend konstant gehalten. Da zudem von einer Beeinflussbarkeit der Uringlukosekonzentration (UGK) durch unterschiedliche Diuresegrade ausgegangen werden kann, wurde der Fokus dieser Arbeit auf die Charakterisierung einer Beziehung zwischen BGK und renaler Glukoseausscheidung bzw. tubulärer Glukoserückresorption als Stoffmengen pro Zeiteinheit gelegt einschließlich der Etablierung von „steady states“ bezüglich der BGK mittels Glukose-Clamp-Technik sowie einer präzisen quantitativen Messung der UGK. Methodik: Bei 19 männlichen und drei weiblichen Typ-2-Diabetikern im Alter von 57,0±6,0 Jahren mit einem BMI von 29,6±1,9 kg/m2 und einer Erkrankungsdauer von 6,5±2,9 Jahren (jeweils Median ± halber Quartilabstand) wurden an zwei Untersuchungsterminen im Abstand von sieben bis 14 Tagen mittels Biostatoren automatisierte Glukose-Clamp-Versuche über jeweils 12,5 Stunden mit identischem Ablauf durchgeführt: Unter Berücksichtigung der jeweils unter Bedingungen eines BGK-„steady state“ entstandenen, quantitativ enzymatisch bestimmten UGK wurden die BGK in fünf aufeinander folgenden 2,5-stündigen Stufen, ausgehend von 220 mg/dl, in Abständen von 20 mg/dl variiert. Ergebnisse und Diskussion: Die BGK schwankten innerhalb der Glukose-Clamp-Stufen ausgesprochen gering mit einem medianen Variationskoeffizienten von 0,038±0,011: „steady state“-Bedingungen waren somit weitgehend gegeben. Es wurden in 220 Glukose-Clamp-Stufen (je Proband zweimal fünf Stufen) mittlere BGK zwischen 140 und 239 mg/dl (median 200±15,1 mg/dl) etabliert. Die einander entsprechenden Stufen beider Glukose-Clamp-Versuche jedes Probanden stimmten bezüglich der etablierten mittleren BGK zu 99,3±0,6 % überein, weshalb ideale Voraussetzungen für den Wertevergleich BGK-abhängiger Parameter bei demselben Individuum zu verschiedenen Terminen (d.h. intraindividuell) bestanden. Bei durchweg normwertiger Nierenfunktion der 22 Diabetiker (berechnete GFR 111±7,8 ml/min) betrug die renale Glukoseausscheidungsrate (rGAR) median 5,8 mg/min mit bemerkenswert hoher Streuung (halber Quartilabstand 5,0 mg/min) und hoher intraindividueller Variabilität (mediane Übereinstimmung 38,4±21,7 %), aber deutlicher intraindividueller Korrelation zueinander (probandenweise je fünf rGAR gegeneinander: medianer Koeffizient 0,74±0,13). Die rGAR ist – über alle Probanden und BGK – nicht streng von der BGK abhängig. Betrachtet man BGK und rGAR innerhalb der einzelnen Untersuchungen, so ergibt sich aber eine deutliche Korrelation (r: 0,82±0,12), die auf mathematische Beziehungen zwischen den beiden Parametern hindeutet (siehe unten). Die tubulären Glukoserückresorptionsraten (Synonym: -transportraten) TG lagen mit median 211,5±21,5 mg/min unterhalb des Maximums, dem TmG, das mit den Studiendaten allerdings nicht beziffert werden konnte. Im Widerspruch zur TmG-Hypothese konnte im untersuchten BGK-Bereich zwischen 140 und 239 mg/dl keine Schwelle für die renale Glukoseausscheidung detektiert werden, denn stets war eine Glukosurie nachweisbar. Die – als begleitende BGK einer UGK von 50 mg/dl oder gerade darunter – hier definierte, zur Klassifizierung der Probanden anhand der Leistungsfähigkeit ihrer renalen Glukosekonservierungsmechanismen simulierte „Nierenschwelle“ für Glukose (sGNS) betrug median 198±10,4 mg/dl (Minimum 140, Maximum 218 mg/dl). Durch die derartige Emulation einer virtuellen unteren Uringlukose-Nachweisgrenze waren die Ergebnisse früherer Publikationen mit „Nierenschwellen“-Bestimmung somit trotz dort überwiegend fehlendem Blutglukose-„steady-state“ im Prinzip reproduzierbar (obwohl wahrscheinlich hier wie dort wegen hoher Diuresegrade mit Harndilution systematisch überschätzt). Der eigentliche Nutzen der sGNS-Bestimmung zeigte sich aber in der möglichen Differenzierung der Probanden nach unterschiedlicher Effektivität ihrer renalen Glukoserückresorptionsmechanismen: So konnten formelmäßige Zusammenhänge mit abnehmender Variabilität unter Fokussierung auf Daten von Probanden ähnlich hoher sGNS gefunden werden, die die renale Glukoseausscheidungsrate (y) als Funktion der BGK (x) für den Bereich von 140 bis 239 mg/dl beschrieben. Ergebnisse der Regressionen auf Potenzfunktionen waren: für alle Probanden y=3·10^(-8)·x^3,75, bei ausschließlich Probanden mit niedriger sGNS y=9·10^(-15)·x^6,75, mit mittlerer y=3·10^(-21)·x^9,43 und mit hoher sGNS y=7·10^(-21)·x^9,06 bzw. y=9·10^(-14)·x^5,98. Entsprechende logarithmische Regressionsfunktionen der Beziehung zwischen TG und BGK waren: für alle Probanden y=198,4·ln(x)-836, bei ausschließlich Probanden mit niedriger sGNS y=79·ln(x)-230, mit mittlerer y=198,5·ln(x)-848 und mit hoher sGNS y=281,7·ln(x)-1288 bzw. y=373,2·ln(x)-1767. Durch den BGK-Untersuchungsbereich der Studie wurde mit den obigen Regressionsfunktionen aller Wahrscheinlichkeit nach vorrangig der Bereich des „splay“ erfasst (jener begrenzte Abschnitt der Glukoseausscheidungskurve mit verzögertem Anstieg bei Steigerung der BGK), weshalb eine Extrapolation auf Basis dieser Formeln über den untersuchten BGK-Bereich hinaus nicht legitim ist. Die Studiendaten sind mit den Grundzügen der TmG-Hypothese vereinbar, in die allerdings bis dato das zumindest 1904 bereits wissenschaftlich beschriebene Faktum der basalen Glukosurie noch nicht integriert worden ist. Aus diesem Grunde und wegen fehlender entsprechender Befunde bei Nicht-Diabetikern wie auch solcher unter Eu- sowie stärkerer Hyperglykämie bei Diabetikern und Gesunden sollten ergänzende Studien mit optimierter Methodik durchgeführt werden. | |||||||
Lizenz: | Urheberrechtsschutz | |||||||
Fachbereich / Einrichtung: | Medizinische Fakultät | |||||||
Dokument erstellt am: | 21.07.2009 | |||||||
Dateien geändert am: | 15.07.2009 | |||||||
Promotionsantrag am: | 18.03.2008 | |||||||
Datum der Promotion: | 24.06.2009 |