Dokument: Neue klinische und experimentelle Aspekte der Regionalanästhesie
Titel: | Neue klinische und experimentelle Aspekte der Regionalanästhesie | |||||||
Weiterer Titel: | New clinical and experimental aspects of regional anesthesia | |||||||
URL für Lesezeichen: | https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=10518 | |||||||
URN (NBN): | urn:nbn:de:hbz:061-20090324-073635-1 | |||||||
Kollektion: | Dissertationen | |||||||
Sprache: | Deutsch | |||||||
Dokumententyp: | Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Habilitation | |||||||
Medientyp: | Text | |||||||
Autor: | PD Dr. Stevens, Markus Florian [Autor] | |||||||
Dateien: |
| |||||||
Stichwörter: | regional anesthesia, neurostimulation, neurotoxicity, local anesthetics, pediatric anesthesia | |||||||
Dewey Dezimal-Klassifikation: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit | |||||||
Beschreibung: | Verfahren der Regionalanästhesie reduzieren wirksam postoperative Schmerzen und sen-ken die Häufigkeit perioperativer Komplikationen. Andererseits sind diese Techniken bzw. die verwendeten Lokalanästhetika mit einer Reihe von Nachteilen behaftet, von denen wesentliche in der vorliegenden Habilitationschrift untersucht wurden. Im klinischen Teil dieser Habilitationsschrift wurden Methoden zur Prädiktion des Erfolgs bzw. zur Steigerung der Effektivität peripherer Nervenblockaden evaluiert. Außerdem wurden Ausmaß und Muster der Änderungen der Hauttemperatur als diagnostische Kriterien einer Sympathikolyse analysiert und die zentralen Effekte neuroaxialer Blockaden an Säuglingen untersucht. Im experimentellen Teil wurden Mechanismen der Lokalanästhetika-bedingten Zyto- und Neurotoxizität aufgeklärt.
Da die Erfolgsrate peripherer Nervenblockaden häufig unter 90% liegt und die Wirkung erst verzögert eintritt, wurde der prädiktive Wert des Anstiegs der Hauttemperatur für den Blockadeerfolg untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass der Anstieg der Hauttemperatur nach bestimmten peripheren Regionalanästhesien ein sicheres, aber spätes Zeichen einer erfolgreichen Blockade ist. Somit ist die Hauttemperatur ungeeignet, den Erfolg einer Blockade frühzeitig vorherzusagen. Weiterhin ist das Muster des Temperaturanstieges (dargestellt mittels Video-Thermographie) bei allen Regionalanästhesien gleichförmig auf die Akren beschränkt und daher nicht geeignet, die Ausbreitung der Anästhesie zu beurteilen. Bei Neugeborenen und Säuglingen (in der Mehrzahl ehemalige Frühgeborene) werden Spinalanästhesien durchgeführt, weil sie im Vergleich zu Allgemeinanästhesien wirksam die Inzidenz postoperativer Apnoen reduzieren. Nach bisheriger Lehrmeinung bleibt der Kreislauf von Säuglingen nach Spinalanästhesien, anders als bei Erwachsenen, stabil, und zwar aufgrund der Annahme eines noch unreifen sympathischen Nervensystems in den ersten Lebenswochen. In den hier vorgestellten Untersuchungen wurde jedoch unter Spinalanästhe-sie nicht nur eine deutliche Sympathikolyse, kenntlich an der Erwärmung der Füße, sondern auch ein signifikanter Abfall des arteriellen Blutdrucks bei konstanter Herzfrequenz beobach-tet. Darüber hinaus verursachte die Spinalanästhesie eine erhebliche Sedierung der Säuglinge und entsprechenden EEG-Veränderungen. Somit wurden bei Säuglingen die gleichen sympatholytischen, hämodynamischen und zentralnervösen Wirkungen einer Spinalanästhe-sie beobachtet wie bei Erwachsenen. Lokalanästhetika blockieren Nerven mit hoher Aktionspotentialfrequenz stärker (fre-quenzabhängige Blockade). Dieses Prinzip wurde eingesetzt, um die Effektivität von Leitungsblockaden zu erhöhen. So verbesserte eine hochfrequente Stimulation nach Blockade des N. ulnaris Wirkungseintritt, Ausdehnung und Erfolgsrate. Allerdings gelang es nicht, dieses Prinzip mittels transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS) bei Blockaden des Plexus brachialis nachzuweisen. Bei der Anlage peripherer Blockaden wird die perineurale Lage der Kanüle durch Ner-venstimulation gesichert. Hingegen werden Katheter zur postoperativen Schmerztherapie anschließend „blind“ vorgeschoben. Hieraus resultiert häufig eine Abweichung des Katheters von der idealen (unmittelbar perineuralen) Position, so dass bei bis zu 75% der Patienten die postoperative Analgesiequalität als unzureichend beschrieben wurde. Mit der Verfügbarkeit stimulierbarer Katheter besteht erstmals die Möglichkeit, die perineurale Lage des Katheters unmittelbar zu verifizieren bzw. zu korrigieren. Die Effektivität dieser Maßnahme wurde in einer prospektiven, randomisierten Doppelblind-Studie bei Patienten untersucht, die einen interskalenären Katheter zur Schmerztherapie nach Schulteroperationen erhielten. Die Verwendung von Stimulationskathetern verbesserte die Schulterfunktion 6 Wochen nach der Operation signifikant. Eine zusätzliche Verbesserung der postoperativen Analgesie war jedoch nicht nachzuweisen, da bei den Patienten der Kontrollgruppe bereits eine sehr gute Analgesiequalität bestand. Lokalanästhetika sind in Abhängigkeit von Konzentration und Einwirkdauer neuroto-xisch. Da Lokalanästhetika die Nervenleitung blockieren, könnte die elektrische Inaktivität zu einer Inaktivitätsatrophie mit morphologischer Degeneration des Nerven führen. Um diese These zu überprüfen, wurde der Carotissinusnerv von Kaninchen über Tage und Wochen elektrisch inaktiviert. Zwar verloren die Barorezeptoren ihre Funktion, aber im Gegensatz zur Schädigung durch Lokalanästhetika degenerierten die inaktivierten Nerven hierbei nicht. Somit wird die Neurotoxität der Lokalanästhetika nicht durch eine elektrische Inaktivierung des Nerven verursacht. An Zellkulturen wurde der Mechanismus der Toxizität der Lokalanästhetika analysiert. Sie induzieren sowohl an neuronalen als auch an nicht-neuronalen Zellen Apoptose. Der Mechanismus der Apoptose-Induktion durch Lokalanästhetika war bisher unbekannt. Jurkat-T-Lymphomzellen wurden mit Lidocain in aufsteigenden Konzentrationen inkubiert und Marker der Apoptose an den Schlüsselstellen des Signalwegs mittels Messung von mito-chondrialem Membran-potential, Cytochrom C-Freisetzung, Phosphatidylserin-Externalisierung, Procaspase-3-Reduktion und Caspase-3-Aktivierung untersucht. Konzentra-tionsabhängig induzierte Lidocain zunächst Apoptose, in höheren Konzentrationen Nekrose. Ob Lidocain Apoptose über den mitochondrialen oder Todesrezeptor-Signalwegs induziert, wurde an Zellen mit genetischen Veränderungen der beiden Signalwege untersucht. Überex-pression des am Mitochondrium antiapoptotischen Proteins Bcl-2 bzw. Defizienz der für den mitochondrialen Signalweg essentiellen Caspase-9 schützten die Zellen vor Lidocain-induzierter Apoptose. Hingegen waren Zellen mit Defizienz der für den Todesrezeptor-Signalweg essentiellen Caspase-8 bzw. FADD, einer Komponente des Todesrezeptors, nicht geschützt. Somit induziert Lidocain Apoptose über den mitochondrialen, nicht aber über den Todesrezeptor-Signalweg. Obwohl klinisch insbesondere Lidocain Neurotoxizität verursacht, wirken prinzipiell alle Lokalanästhetika zytotoxisch. Daher wurde wiederum an Jurkat-Zellen die Toxizität von 8 klinisch relevanten Lokalanästhetika verglichen. Alle Substanzen induzierten konzentrations-abhängig zunächst Apoptose und in höheren Konzentrationen Nekrose. Dabei variierten die LD50-Werte über 2 Zehnerpotenzen. Die Toxizität korrelierte sowohl mit der Lipophilie als auch mit der leitungsblockierenden Potenz der jeweiligen Substanz. Weiterhin wurden die Stereoisomere von Ropivacain bzw. das L-Bupivacain mit dem Racemat verglichen und gefunden, dass die Toxizität nicht stereospezifisch ist. Folglich induzieren Lokalanästhetika ihre Toxizität über einen lipophilen, nicht aber stereospezifischen Wirkort. Apoptose kann durch freie Sauerstoffradikale ausgelöst bzw. vermittelt werden und ent-sprechend durch Antioxidantien verhindert werden. Daher wurde mit einem hydrophilen und einem lipophilen Antioxidans versucht, Lidocain-induzierte Apoptose an Jurkat-Zellen zu unterdrücken. Als Positivkontrolle diente H2O2, welches Sauerstoff-Radikale freisetzt. Beide Antioxidantien konnten die Lidocain-induzierte Apoptose nicht unterdrücken, wohl aber die durch H2O2-induzierte. Demnach scheint die Lidocain-induzierte Apoptose nicht über Radikale vermittelt zu sein. Da klinisch von den lokalen Nebenwirkungen der Lokalanästhetika die Neurotoxizität im Vordergrund steht, wurde die Toxizität von Lidocain außerdem an neuronalen Zellkulturen untersucht. Neuroblastomzellen wurden mit Lidocain inkubiert und anschließend wurde das mitochondriale Membranpotential bzw. die Caspase-3-Aktivierung als früher bzw. später Marker der Apoptose gemessen. Wie an Jurkat-Zellen induziert Lidocain an neuronalen Zellen in niedrigen Konzentrationen Apoptose und in höheren Nekrose. Darüberhinaus konnte durch Fluoreszenz-Mikroskopie mit spezifischen Antikörpern der Einbau von Bax-Kanälen in Mitochondrien nachgewiesen werden. Somit induziert Lidocain auch an neurona-len Zellen Apoptose über den mitochondrialen Signalweg. Zusammenfassend wurde im klinischen Teil der vorliegenden Habilitationsschrift gezeigt, dass verschiedene Regionalanästhesie-Verfahren hinsichtlich der durch sie hervorgerufenen Hauterwärmung bzw. Sympathikolyse gleichwertig sind. Darüber hinaus wurden neue Techniken zur Verbesserung von Regionalanästhesie-Verfahren dargestellt. Schließlich wurden erstmals bei Säuglingen deutliche sympatholytische sowie zentralnervöse Effekte anhand elektroencephalographischer Variablen durch Spinalanästhesie nachgewiesen. Im experimentellen Teil wurde der Mechanismus der Gewebetoxizität von Lokalanästhe-tika aufgeklärt. Alle klinisch relevanten Lokalanästhetika induzieren in niedrigen Konzentra-tionen Apoptose und führen in höheren Konzentrationen zu Nekrose. Sowohl an neuronalen als auch an nicht neuronalen Zellen induziert Lidocain Apoptose über den mitochondrialen Signalweg. | |||||||
Lizenz: | Urheberrechtsschutz | |||||||
Fachbereich / Einrichtung: | Medizinische Fakultät | |||||||
Dokument erstellt am: | 24.03.2009 | |||||||
Dateien geändert am: | 26.02.2009 | |||||||
Gültig ab: | 18.10.2007 |