Dokument: Die Ratgeber Friedrich Barbarossas (1152-1167)

Titel:Die Ratgeber Friedrich Barbarossas (1152-1167)
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20071031-135854-9
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Uebach, Christian [Autor]
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Dateien vom 28.10.2007 / geändert 28.10.2007
Beitragende:Prof. Dr. Laudage, Johannes [Gutachter]
Prof. Dr. Haupt, Barbara [Gutachter]
Stichwörter:Friedrich Barbarossa
Dewey Dezimal-Klassifikation:900 Geschichte und Geografie » 940 Geschichte Europas
Beschreibung:Mit Blick auf die den Deutschen König bzw. Kaiser im 12. Jahrhundert umgebenden Ratgeber gelangten die Erkenntnisse der Wissenschaft bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts im wesentlichen nicht über die beiden Erkenntnisse hinaus, daß die persönliche Umgebung des Herrschers, mit der er seine laufenden politischen Geschäfte bewältigte, ebenso wechselhaft war wie sein Aufenthaltsort und daß am Hof weilende Personen geistlichen und weltlichen Standes vom Herrscher als Räte bemüht wurden. Ferner vermochte es die rechtshistorische Forschung bis in die 1960er Jahre hinein zu beschreiben, daß Königsherrschaft im 12. Jahrhundert dem Willen der am Hof versammelten Fürsten Rechnung zu tragen hatte, wenn über Heerfahrten, den Bestand von Fürsten-tümern oder über Rechtsfragen entschieden wurde, die an das Hofgericht herangetragen wurden.
Zugleich entstand die Vorstellung, die in den Herrscherdiplomen als Beisitzer des Hofgerichtes oder als Zeugen der Rechtshandlung genannten Großen seien diejenigen Personen gewesen, mit denen der König seine politischen Entscheidungen getroffen habe. Der Rechtsgehalt der jeweiligen Beurkundung galt dabei als der fixierte Konsens der Hoffahrer. Diese Neigung der Mediävisten anzunehmen, der deutsche Herrscher habe im 12. Jahrhunderts über die Teilhabe der Gesamtheit der Fürsten an der Macht regiert, wurde bis zum Ende der 1990er Jahre zugespitzt zur These von der „konsensualen Herrschaft“ (Bernd Schneidmüller, 2000): Der König konnte alle grundlegenden Entscheidungen nicht mehr ohne Rat und Urteil der oberhalb des Grafenstandes angesiedelten Fürsten fällen; Friedrich Barbarossa habe seine Herrschaft vielmehr auf dem grundlegenden Konsens mit den Fürsten errichtet. Bereits seit den 1980er Jahren ist die Hofforschung bemüht, dieses Bild von den Fürsten als tragendes Fundament des Königtums quantitativ zu füllen: Eine Vielzahl von Studien hat sich seither der statistischen Erfassung der personellen Zusammensetzung deutscher Herrscherhöfe im 12. und 13. Jahrhundert mittels der Auswertung der in den Herrscherdiplomen aufgeführten Zeugenlisten gewidmet.
Diesem rein quantifizierenden, frequenzanalytischen Ansatz der Hofforschung sind jedoch methodische Bedenken entgegenzubringen. Denn die Testatlisten stellen keinesfalls vollständige „Anwesenheitslisten“ aller Hoffahrer dar. Zudem lassen sie kaum Schlüsse über die Qualität der Beziehung der genannten Zeugen zum Herrscher erkennen, weil viele der in den Zeugenlisten genannten Personen nur aufgrund ihres verfassungsmäßigen Ranges als Zeugen aufgeführt wurden; Rückschlüsse über konkrete Beratungssituationen oder Entscheidungsmechanismen und über den Einfluß einzelner Personen auf den Herrscher sind allein anhand der Zeugenlisten hingegen nur sehr bedingt zu ziehen. Ferner drückte sich persönliche Nähe zum Herrscher keineswegs zwingend in der Hofpräsenz aus; wenn Barbarossa Männer seines Umfeldes mit längerfristigen Legationen betraute, war dies Ausdruck einer „Nähe in der Ferne“ (Carsten Kretschmann, 2000). Der Hof Friedrich Barbarossas präsentierte sich tatsächlich nur etwa viermal im Jahr als angesagte und festliche Vollversammlung der Großen des Reiches; während der übrigen Zeit hingegen mußte sich Barbarossa mit einem weit geringeren Kreis von Ratgebern und Helfern an seinem Hof begnügen.
Bisher jedoch ist es der Forschung weder überzeugend gelungen, den Kreis dieser vertrauten Ratgeber Friedrich Barbarossas zu erfassen und abzugrenzen, noch zu klären, auf welche Vertrauten und Ratgeber sich der Herrscher wann, wie, wo, warum und in welcher Weise regelmäßig stützte, welche Interessen und politischen Konzeptionen dabei zur Geltung kamen und wie die grundlegende politische Entscheidungsfindung in diesem Kreise am deutschen Herrscherhof im 12. Jahrhundert ablief. Um zu einem aussagefähigen Bild der Ratgeber Friedrich Barbarossas zu gelangen, treten in der vorgelegten Dissertation neben die Analyse der Testate in den Herrscherurkunden unter Einbeziehung weiterer Überlieferungsträger zusätzliche Beurteilungskriterien, die auch qualitative Schlüsse über die herrschernahen Persönlichkeiten und ihre Beziehung zum Kaiser zulassen. So wurde untersucht, wer Barbarossa in der Kanzlei diente und auf die den dort ausgefertigten Schriftstücken zugrunde liegende Willensbildung Einfluß nehmen konnte, wen Barbarossa durch Gunsterweisungen für geleistete Dienste enger an sich zu binden und zu weiteren Diensten anzuspornen bemüht war, wer aufgrund seiner Herrschernähe als Intervenient bzw. Petent erfolgreich Bitten an Barbarossa herantragen konnte, wer bei Barbarossa so viel Vertrauen besaß, daß dieser ihm seine Macht bzw. sein Wort als Gesandter oder in sonstiger politischer Funktion übertrug, oder wer schließlich in den historiographischen Quellen wie auch in Briefen der Zeit als vertrauter Ratgeber Friedrich Barbarossas erscheint.
In Abgrenzung vom bislang verbreiteten Forschungsbild einer breit fundierten konsensualen Regierungsform des deutschen Herrschers mit den Fürsten im 12. Jahrhundert kommt die vorliegende Dissertation zu folgenden Ergebnissen: 1.: Die Verrechtlichung der politischen Willensbildung im Deutschen Reich in der Mitte des 12. Jahrhunderts war nur in Ansätzen entwickelt. Daher konnte Friedrich Barbarossa tatsächlich alle grundlegenden politischen Entscheidungen mit einer Gruppe von ca. 15 bis 20 Großen des Reiches an seinem Hof herbeiführen. 2.: In diesen Kreis konnten Personen unterschiedlicher sozialer und regionaler Herkunft Zugang finden; bei der Personengruppe der Vertrauten und Ratgeber Friedrich Barbarossas in den Jahren 1152 bis 1167 handelte es sich um eine als Funktionselite nicht ständisch definierte, in ihrer Zusammensetzung grundsätzlich offene, instabile und in keiner Weise institutionalisierte Gruppe von Großen des Reiches. 3.: Friedrich Barbarossa übte keine feste Residenzherrschaft aus, die eine personale Konstanz an seinem Hof begünstigt hätte. Daher fluktuierte dieser Ratgeberkreis hinsichtlich seiner Präsenz am Herrscherhof derart stark, daß eine systematisierende Zusammenfassung hierzu kaum möglich ist. An- und Abwesenheit eines Vertrauten am ambulanten Herrscherhof wurden vor allem von den folgenden Aspekten bestimmt: dem jeweiligen Aufenthaltsort Barbarossas, den anstehenden Reichsgeschäften, Gesandtschaften und Legationen im Reichsdienst oder Bindungen der jeweiligen Ratgeber in ihren eigenen Amtsbereichen. Lediglich während der Heerfahrten außerhalb Deutschlands zeigte der den Kaiser umgebende Ratgeberkreis größere Konstanz. 4.: Wenn auch die Quellen für diese Personengruppe keinen Begriff haben, so ist der Ratgeberkreis dennoch anhand der Überlieferung als ein um Barbarossa gescharter „Harter Kern“ der Reichspolitik abgrenzbar. Diese Personen wirkten aufgrund überdurchschnittlicher Willenskraft und Einsatzbereitschaft, der Verfolgung individueller Interessen und Visionen, persönlicher Präferenzen des Herrschers und machtpolitischer Konstellationen als Ratgeber und Mitarbeiter Barbarossas in der Gestaltung der Reichspolitik mit.
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Fachbereich / Einrichtung:Philosophische Fakultät » Historisches Seminar » Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte (I)
Dokument erstellt am:28.10.2007
Dateien geändert am:28.10.2007
Promotionsantrag am:28.07.0004
Datum der Promotion:22.01.2007
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