Dokument: Zur Geschichte des Genbegriffs

Titel:Zur Geschichte des Genbegriffs
Weiterer Titel:About the scientific history of the biological term "gene"
URL für Lesezeichen:https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=23730
URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20130215-135725-4
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Plischke, Kurt [Autor]
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Dateien vom 07.02.2013 / geändert 07.02.2013
Beitragende:Prof. Dr. Steingrüber, Hans-Joachim [Gutachter]
Prof. Dr. Dr. Labisch, Alfons [Betreuer/Doktorvater]
Prof. Dr. Dr. Labisch, Alfons [Gutachter]
Stichwörter:Gen, Geschichte, Ursprünge der Genetik im 19. Jhdt., mechanistischer Materialismus, naturwissenschaftlicher Reduktionismus, Kausalitätsvorstellungen, the term self, causa finalis, mechanism, character unit, idioplasma, pangene, memory, code
Dewey Dezimal-Klassifikation:600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften » 610 Medizin und Gesundheit
Beschreibungen:Die klassischen Werke zur Biologiegeschichte von Blakesley (1936), Stubbe (1963), Dunn (1965), Carlson (1966), Cremer (1985), Johansson (1988), Jahn (1998), Morange (1998), Kay (2000) stellen die historische Entwicklung der Vererbungslehre vor und berücksichtigen auch die Entstehung der Genetik als einer neuen Disziplin der Biologie. Eine Problemgeschichte, die gezielt die Vorbereitung des Genbegriffs noch vor Entstehung der Genetik, und daraus die Entfaltung des Begriffs in deren folgenden Jahrzehnten untersucht, fehlt darin. Ebensowenig sind die späten Schwierigkeiten der Begriffsbildung, die bis an die Forderung nach einer Auflösung des Modells reichen, auf früh angelegte Bestandteile in der Genvorstellung untersucht. Monographien und auch Einzeluntersuchungen in Form des wissenschaftlichen Artikels aus der jüngeren Zeit tragen bereits explizit den Terminus Gen im Titel, der mit der hier vorgelegten Arbeit zum Thema einer problemgeschichtlichen Querschnittsuntersuchung erhoben wird. Beispielhaft genannt seien Kitcher (1992, 1999), Gifford (2000), Gilbert (2000), Graham (2002) oder Morange (2002). Diese Untersuchungen richten ihr Augenmerk jedoch auf die Entstehung von Widersprüchen, die sich aus der unterschiedlichen Modellbildung der jüngsten Biologie bei sich isolierender Methodik in den Teildisziplinen, etwa der Entwicklungs-, statistischen Populations-, oder Evolutionsbiologie ergeben. Die vorliegende Arbeit setzte sich daher zur Aufgabe, die frühen Phasen der Entstehung der biologischen Vorstellung Gen als dem bestimmenden Agens für Eigenschaftsbildung der Lebewesen, Erhalt im Lebensverlauf, generationsweiser Weitergabe und Veränderlichkeit (Mutabilität) zu untersuchen. Sie endet mit der Etablierung des DNS-Doppelhelixmodells im Jahr 1953 und sie gibt zugleich Einblick in sodann entstehende Fragwürdigkeiten des entstandenen Modells, wie sie schon in der Vorgeschichte der Genvorstellung angelegt sind. Mit dem Auseinandertreten von naturwissenschaftlich veranlassten Sicherheiten, einer Divergenz, die im nobelpreisgekrönten Genmodell der DNS-Doppelhelix noch nicht vermutet wurde, entfalteten sich früh angelegte Gegensätze. Gezeigt wird, dass die spekulativen Frühphasen des Begriffs aus der Entstehungszeit der Biologie – diese wurde 1800 zu einem unter eigenständiger Prämisse arbeitenden naturwissenschaftlichen Aufgabengebiet erhoben – unter Verselbständigung der Disziplin strikten Einfluss nehmen auf die spätere Begriffsentwicklung der im modernen wissenschaftlichen Verständnis selbstverständlich werdenden Wirklichkeitssicht. In der Weise, in der sich im Verlauf der Abstraktion die Auffassung zunehmend auf singuläre materielle Erbträger als dem Gen und schon auf dessen Vorläuferbegriffe konzentrierte, änderte sich das Verständnis von der Lebendigkeit des Lebenden und von Vererbung gemäß den wissenschaftlichen Leitbildern, die in der Wissenschaftsdifferenzierung wechselweise auseinander traten und zusammen geführt wurden. Nach Schaffung des Terminus Gen gründete sich 1906 die Genetik innerhalb der mittlerweile hundertjährigen Biologie als eine fortschreitend terminologisch und methodisch selbständig arbeitende biologische Teildisziplin. Mit dem Bild einer durch identische Verdopplung sich selbst reproduzierenden DNS-Doppelhelix entstand in Verbindung mit dem hermeneutischen Modell einer chemischen Kodierung von verschlüsselten Informationen (Informationsmodell) eine einheitliche Arbeitshypothese, die sich im folgenden Jahrzehnt auf die gesamte belebte Natur ausdehnen zu lassen schien. Dem entgegen begannen in den 1970ziger Jahren sich Einwände Gehör zu verschaffen. Einer allzu direkten Entsprechung von Gen und Eigenschaft wurde widersprochen, bis hin zu der Vermutung, das Genmodell insgesamt habe nur die Geltungskraft eines zwar nützlichen, aber hypothetischen Realismus bis auf den Nachweis einer Alternative. Für das Wissenschaftsverständnis ist ein weiteres Beispiel geliefert, dass der seit dem 19. Jahrhundert sich durchsetzende naturalistische Reduktionismus, mit seiner monistischen Ausrichtung, nur die naturwissenschaftlich definierten Gegenstandsbereiche als wahrheitsfähig zuzulassen und die naturwissenschaftliche Methode zur einzigen Forschungsweise zu erheben, nicht alle Implikationen der Begriffsbildung berücksichtigen kann, sondern zu Ausblendungen führt, die über lange Perioden hinweg Widersprüche in der Vorstellung verdecken können, bis sie zutage treten.

Abstract: The origin of the fundamental features of the prevailing gene term by present philosophy of science is located in the beginning of the 20th century. Here subsequently to the rediscovery of Mendels detections his term of character units was displaced by morphological definable and experimentally proofed factors on chromosomes. Mendelism, the chromosome theory of heredity and Darwinism joined together. Nevertheless it had been the second 19th century half’s biological speculations during which the epistemic room about particularized hereditable materials arose. But does 19th century speculative biology really haven`t any impact on the later term formation? It is a period that within all ideological breaks had been prepared by central terms of nature philosophy. This explicitly made use of teleological causality: the living being is a self-purpose and thus a nature purpose (Kant) making itself to its own result (Hegel). The feature “self” stayed being one of the decisive remaining characters of the later as specialized estimated hereditarian material, becoming restricted to mechanical forces. The following biological term about hereditable physical units runs through organic physiological units with an inclination, through gemmules stemming from all body units, through plastidules with a phylogenetic memory, through idioplastic micells of a limitated number representing all differences of organs and tissues only by permutation (cf. the base-principle of DNA), through themselves dividing ids into identical daughter ids by an own germ path consisting of immortal germ plasm or through pangenes which circulate within the cell. Also Mendel had assumed material properties and the arrangement of the germ cells inner elements to be responsible for the appearing character units. In order to summarize the preexisting proposals for a descriptive term without prejudice Johannsen in 1903 makes from pangenesis and pangene the gene. This proved to be mutable with constant inheritance of the mutations, provocable by X-rays thus being of physical materiality, thus without any influence of teleological causality, but being able to self-reproductivity and self-selectivity, being both stable and changeable. Such physical unknown ability was paraphrased by the term of a code mechanism guaranteed by complementariness. It would be enabled by hydrogen bonds between the facing material groups which do not only replicate themselves but also non gene units. DNA appears as the perfect biological principle. So it is the gene that causes the particularity of organic materiality. It contains the features which had been prepared and elaborated in the 19th century biology. Features like “self”, “memory”, “code” still comprise anthropomorphisms stemming from human self-awareness. They are early components of the late gene term.
Key-words: self – causa finalis – mechanism – character unit– idioplasma– pangene – memory – code
Lizenz:In Copyright
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Fachbereich / Einrichtung:Medizinische Fakultät » Institute » Institut für Geschichte der Medizin
Dokument erstellt am:15.02.2013
Dateien geändert am:15.02.2013
Promotionsantrag am:23.12.2011
Datum der Promotion:04.01.2013
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